Boote, Berge von Kunststoff und ein Gefühl, dass niemand anruft: So sieht der Inselsüden heute aus
Am frühen Morgen, wenn auf der MA-19 noch die LKW hupen und die Bäckereien ihre ersten Ensaimadas ausliefern, stehen bereits Kranfahrer und Gemeindearbeiter an den Buchten. In den letzten Wochen häufen sich die Landungen von kleinen Booten mit Migranten an der Südküste: Ses Salines, Santanyí und Campos kommen kaum noch hinterher.
„Früher war das eine Ausnahme, jetzt sind es fast tägliche Einsätze“, sagt ein Mitarbeiter aus dem Rathaus von Ses Salines, den ich am Telefon treffe, während er noch Pläne für den Abtransport sortiert. Die Gemeinde lagert die Wracks nach dem Abpumpen von Treibstoff und einer ersten Reinigung auf dem Recyclinghof zwischen. Dort türmen sich inzwischen rund zehn Rümpfe. In Santanyí sind es knapp ein Dutzend, in Campos mehrere, die auf Abholung warten.
Wer räumt auf — und wer zahlt?
Die Praxis ist einfach und dennoch frustrierend: Sobald ein Schlauchboot anspült, sind die örtlichen Teams die ersten vor Ort. Sie bergen Menschen, rufen Sanität und Polizei, säubern Strandabschnitte und dann geht’s ans Heben. LKWs, Kräne, Zwischenlager. „Wir übernehmen die Erstmaßnahmen und die Kosten. Die staatliche Delegation nimmt die Boote später an sich – früher oder später. Aber die Belastung liegt bei uns“, beschreibt die Bürgermeisterin von Campos die Lage und atmet hörbar schwer durch.
Finanziell tut das weh: Personalkosten, Maschinenstunden, Entsorgungsgelder. Dazu kommt der Ärger über Zivilisationsmüll — Handys, leere Wasserflaschen, vereinzelt alte Schwimmwesten und Plastikteile, die der Wind auf die Dünen bläst.
Umweltgefahr bleibt ein Thema
Technisch problematisch sind die Reste der Boote: Glasfaserverstärkte Kunststoffe sind schwer abzubauen, dazu kommen Öl- und Benzinreste aus Außenbordmotoren. Ein Sicherheitsverantwortlicher in Santanyí warnt: „Wenn so etwas im Meer zerfällt, ist das nicht nur ein unschönes Foto für Touristen – das ist eine Langzeitbelastung für Strand und Meeresboden.“
Am Cap de Ses Salines liegen noch einige Wracks auf den Felsen. Das Bergen dort ist gefährlich und teuer; oft müssen spezialisierte Firmen ran, was die Kosten weiter in die Höhe treibt.
Appell an Madrid — und an die Nachbarn
Die Stimmen aus den Rathäusern sind ähnlich: mehr Personal, besserer Austausch mit der zentralen Verwaltung, klare Abläufe für Abholung und Entsorgung. „Wir sind klein, wir haben aber Verantwortung“, sagt ein Gemeinderat aus Ses Salines. „Es braucht koordinierte Hilfe, sonst wird das zur Dauersituation.“
Die Menschen, die ankommen, brauchen Schutz und Versorgung. Und die Gemeinden brauchen Planungssicherheit. Bis dahin bleiben Kräne am Strand, Plastik in den Dünen und erschöpfte Teams, die früh aufstehen, weil ein weiteres Boot an Land gespült wurde.
Vor Ort zählt jede helfende Hand — und jede Meldung: Wer ungewöhnliche Sichtungen macht, sollte Polizei oder Rettungsdienste informieren, statt selbst ins Meer zu gehen. Die Lage ist sensibel, die Folgen spürbar — für Menschen und Umwelt.