An Mallorcas Südküste nehmen Landungen kleiner Boote zu. Ses Salines, Santanyí und Campos stemmen Ersthilfe, Bergung und Entsorgung — oft ohne klare Absprachen und mit hohen Kosten.
Südküste am Limit: Boote, Plastik und erschöpfte Teams
Am frühen Morgen, noch bevor die Bäckereien der MA-19 die ersten Ensaimadas in Papiertüten stopfen, hört man die anhaltenden Hupen der LKW und das entfernte Rattern von Kränen. In den Buchten zwischen Ses Salines, Santanyí und Campos haben die Gemeindearbeiter jetzt eine neue Routine: Bootswracks bergen, Menschen versorgen, Strand säubern. Was früher Ausnahme war, fühlt sich inzwischen wie Dauerzustand an.
Die Frage, die keiner gern hört
Wie lange können kleine Gemeinden diese Last tragen? Das ist die zentrale Leitfrage, die sich in den Rathäusern stellt. Die Erstmaßnahmen laufen routiniert: Rettungsdienste, Polizei, medizinische Versorgung. Doch die logistische Folge — Kräne, LKW, Zwischenlager, Entsorgung — bleibt fast immer bei den Gemeinden hängen. Während in vielen Köpfen Mallorca für Sonne und Tourismus steht, dutzen Verwaltungsmitarbeiter jetzt Papierkram und Abholaufträge. Mehr dazu finden Sie in Wer zahlt die Strand-Rechnung?
Was vor Ort passiert
Sobald ein Schlauchboot anspült, sind die örtlichen Teams die ersten vor Ort. Sie bergen Menschen, sichern die Stelle und räumen auf. In Ses Salines lagern inzwischen rund zehn Rümpfe auf dem Recyclinghof, in Santanyí knapp ein Dutzend, in Campos mehrere. Die Wracks sind nicht nur optischer Müll: Öl- und Benzinreste, verschlissene Außenbordmotoren und glasfaserverstärkte Kunststoffe bleiben als Belastung zurück. Am Cap de Ses Salines liegen noch Wracks auf den Felsen — Bergen dort ist gefährlich und kostet extra. Angesichts der steigenden Bootsankünfte ist diese Situation besonders kritisch geworden, wie in Mehr Boote, mehr Fragen beschrieben.
Wer zahlt die Rechnung?
Finanziell ist das ein Loch in den eh schon knappen Gemeindekassen. Personalkosten, Maschinenstunden, Abschlepp- und Entsorgungsgebühren — all das summiert sich. Die staatliche Delegation übernimmt die Boote später, heißt es oft, aber bis dahin tragen die Gemeinden die unmittelbaren Kosten. Das bleibt nicht ohne Folgen: weniger Geld für Pflege der Küstenwege, Parks oder kulturelle Angebote. Auch die Herausforderungen, die die privat betriebenen Bootsvermietungen mit sich bringen, sind nicht zu unterschätzen, so wie in Betrunkene Boote, ramponierte Buchten thematisiert.
Umweltgefahren, die kaum sichtbar sind
Die Bruchstücke der Boote enthalten glasfaserverstärkte Kunststoffe, die im Sand und Meerboden verbleiben und nur schwer zerfallen. Ölfilme, Kraftstoffreste und kleine Plastikteile können die Strandökologie langfristig schädigen. Ein Sicherheitsverantwortlicher in Santanyí bringt es auf den Punkt: „Das ist keine Postkarte, das ist Langzeitverschmutzung.“ Wind und Wellen verteilen zudem leichtere Plastikteile in die Dünen — ein ständiges Aufsammeln beginnt. Diese Problematik wird auch in Was an Mallorcas Küste unter der Oberfläche liegt beleuchtet.
Aspekte, die oft zu kurz kommen
In der öffentlichen Debatte fehlt häufig eine klare Kostenrechnung und die Frage nach Verantwortlichkeiten. Auch die psychische Belastung der Helfer vor Ort — die Erschöpfung nach nächtlichen Einsätzen, das Bild von Ratlosigkeit — wird selten thematisiert. Dazu kommt ein praktisches Problem: Viele Wracks sind technisch so kontaminiert, dass sie nicht einfach recycelt werden können. Spezialfirmen sind teuer, aber oft die einzige Option.
Konkrete Chancen und Lösungsansätze
Es braucht mehr als Appelle. Konkret denkbar sind:
1. Koordinierte Schnellteams: Eine zentrale Einheit europa- oder landesweit, die bei Landungen kurzfristig Berge- und Entsorgungsteams schickt, statt alle Aufgaben den Gemeinden zu überlassen.
2. Klares Kosten-Sharing: Ein Fonds, gespeist aus staatlichen Mitteln und EU-Hilfen, der die Entsorgungskosten übernimmt und Gemeinden finanzielle Planungssicherheit gibt.
3. Vor-Ort-Ausstattung: Ölbindemittel, Schutzanzüge, mobile Auffangcontainer und Trainings für Gemeindeteams könnten Schäden reduzieren und Prozesse beschleunigen.
4. Daten und Transparenz: Einheitliche Erfassung aller Landungen, Kosten und Umweltauswirkungen. Nur wer misst, kann priorisieren und Fördermittel rechtfertigen.
5. Präventive Kooperation: Abstimmungen mit Nachbarinseln, Fischerei und Küstenwache, um frühzeitig Einsätze zu planen und Risiken zu minimieren.
Warum Madrid reagieren muss
Die Gemeinden betonen: Sie sind klein, aber verantwortlich. Ohne klare Zuständigkeiten droht die Situation zu einer Dauersituation zu werden, bei der weder Menschenrechte noch Umweltschutz ausreichend gewahrt sind. Eine zentrale Koordination würde nicht nur Kosten senken, sondern auch Sicherheit und Würde für die Ankommenden verbessern.
Was Anwohner und Besucher tun können
Vor Ort zählt jede helfende Hand — aber richtig eingesetzt. Wer ungewöhnliche Sichtungen macht, sollte Polizei oder Rettungsdienste informieren und nicht selbst ins Meer gehen. Meldungen per Notruf oder über die örtlichen Hotlines helfen, Einsätze gezielt zu steuern. Freiwillige können lokale Sammelaktionen unterstützen, dürfen aber nicht die professionelle Reinigung ersetzen.
Auf den Dörfern hört man morgens die Krähen, das Quietschen der Kipper und manchmal ein müdes Lachen der Arbeiter, die eine weitere Hürde weggeräumt haben. Bis Madrid und Brüssel tragfähige Lösungen liefern, bleiben Kräne am Strand, Plastik in den Dünen und Teams, die früh aufstehen — aus Pflichtgefühl und weil es ihre Nachbarschaft ist.
Hinter jeder geborgenen Hülle steckt eine menschliche Geschichte und ein logistisches Problem. Beides verdient mehr Sichtbarkeit und eine bessere Antwort.
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