Plötzlich mehr Boote, noch mehr Fragen
An einem kühlen Morgen am Paseo Marítimo riecht es nach Kaffee und Motoröl. Gleichzeitig laufen hier in diesem Jahr deutlich mehr Rettungsboote ein als noch vor zwei, drei Jahren. Zwischen Januar und September 2025 erreichten nach Angaben der Behörden 5.681 Menschen in 307 Booten die Balearen — das sind rund 74 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2024.
Wie gravierend ist die Lage?
Wenn der Trend anhält, könnte die Zahl bis Jahresende auf etwa 10.250 Menschen anwachsen — fast viermal so viele wie 2023. Vor allem Mallorca und Formentera verzeichnen die meisten Ankünfte, Mallorca mit mehr als 3.200 Fällen. Die Route aus Richtung Algerien wird offenbar häufiger genutzt, die Herkunftsländer sind mittlerweile vielfältiger: Menschen aus Ländern südlich der Sahara und aus Teilen Asiens werden gemeldet.
Stadt, Helfer und die Folgen
In Palmas Hafen sieht man Rettungsschiffe, Polizeiboote und Ehrenamtliche, die Decken, Wasserflaschen und Kaffee verteilen. Aber die Unterbringung ist knapp: Soziale Einrichtungen sprechen von überfüllten Plätzen und langen Warteschlangen bei der Registrierung. Unter den Ankommenden sind auch Minderjährige — und genau das entzündet derzeit einen politischen Streit.
Die Regionalregierung gibt an, nur rund 70 Plätze für unbegleitete Jugendliche zur Verfügung zu haben, während die Zentralregierung auf eine Verteilung von insgesamt 406 Minderjährigen pocht. Die Auseinandersetzung landet nun vor Gericht.
Ein ernsteres Problem als die Zahlen vermuten lassen
Die Statistik allein erzählt nicht alles: Engagierte Helfer vor Ort berichten von Erschöpfung, Krankheiten und traumatisierten Kindern. Offizielle Angaben melden bislang 44 an Stränden gefundene Leichen; Hilfsorganisationen gehen von deutlich mehr Vermissten aus. Eine NGO meldete bereits Hunderte Vermisste für 2025.
Warum es anderswo sinkt
Interessant: Während die Balearen stärkeren Zustrom verzeichnen, sinken die Ankünfte in ganz Spanien insgesamt sowie auf den Kanaren. Ursachenforschung läuft — von veränderten Routen über Wetterlagen bis zu verstärkter Überwachung.
Für die Inseln bedeutet das: kurzfristig mehr Arbeit für Seenotrettung, Gesundheit und Unterbringung; langfristig politische Entscheidungen über Verteilung, Hilfe und Integration. Und für alle, die hier leben: Die Gespräche am Tresen sind ernster geworden. Man hört zu, rätselt, hilft — und hofft auf praktikable Lösungen, bevor der nächste Winter neue Herausforderungen bringt.