Die Gemeinde Capdepera steckt mehr als zwei Millionen Euro in Canyamel. Ein neuer Radweg, Parkplätze und modernes Stadtmobiliar sollen den Küstenort verändern. Aber für wen wird hier eigentlich gebaut?
Canyamel: Millionenplan für 2026 – Aufwertung mit Fragezeichen
Leitfrage: Macht die Aufwertung das Dorf besser oder bringt sie nur neuen Verkehr?
Seit Juli rollen die Bagger am Ortsrand von Canyamel. Der neue Radweg, der bis zum Ortseingang führen soll, ist das sichtbarste Projekt eines Plans, den die Gemeinde Capdepera mit mehr als zwei Millionen Euro ansetzt. Ende Januar ist als Fertigstellungstermin veranschlagt – genug Zeit für Korrekturen, wenn man sie denn will. Die nüchterne Tatsache: Die letzten größeren Arbeiten in Canyamel lagen vor rund zwanzig Jahren. Das merkt man an den Rissen im Trottoir und an den löchrigen Parkflächen neben der Küstenstraße.
Die Ankündigung spricht von besserer Infrastruktur, neuen Parkplätzen und modernem Stadtmobiliar. Das klingt nach sauberer Optik: Bänke, Lampen, vielleicht neue Mülleimer. Gute Sache, denkt man im ersten Moment. Doch genau hier beginnt die Kritik: Was konkret geplant wird, bleibt diffus. Werden die Parkplätze geteilt zwischen Anwohnern und Tagestouristen? Wie viele der Maßnahmen sind langlebig und wie viel ist bloß kosmetische Auffrischung für die kommende Saison?
Die Analyse zeigt mehrere Baustellen. Erstens: Mobilität. Ein Radweg ist begrüßenswert, aber wenn er vor allem touristischen Zubringern dient und direkt an einer neuen Stellplatzfläche endet, steigert das eher den motorisierten Verkehr als dass es ihn reduziert. Zweitens: Ökologie. Küstennahe Bauarbeiten brauchen Regenwasser- und Versickerungskonzepte; ohne sie drohen nach starken Niederschlägen Pfützen auf dem Platz vor der Kirche und Probleme für die Vegetation entlang des Camí. Drittens: Beteiligung. Während die Entscheidungssummen kommuniziert werden, fehlt oft der Dialog mit den Menschen, die täglich in Canyamel leben: Fischer, Cafébetreiber, Familien mit Kindern.
Was im öffentlichen Diskurs zu kurz kommt: Die Folgen für die lokale Alltagsstruktur. Wird die Dorfkneipe an der Plaça weiterhin Treffpunkt sein, wenn vor ihr Touristenbusse parken? Haben Lieferanten und Bauernvereine genug Raum, um ihre üblichen Abläufe nicht fragil werden zu lassen? Warum sprechen Planer nicht deutlicher über Begrenzungsmechanismen für den Parkplatzboom – etwa Jahreskarten für Anwohner oder Kontingente in der Hauptsaison?
Eine Mallorca-Alltagsszene hilft, das Bild zu schärfen: Vormittags, wenn die erste Fähre aus Palma noch nicht angekommen ist, sitzt die alte Señora von der Bäckerei auf der Bank unter der Platane, der Hund schnarcht, Kinder rennen mit Sand an den Schuhen vorbei. Am Nachmittag rollen die Tagesgäste heran, und plötzlich wird aus Stille Betriebsamkeit. Wenn die Aufwertung nur den Nachmittag auffängt, verliert der Ort seine Balance.
Konkrete Lösungsansätze lassen sich formulieren: Priorität für eine durchgehende, sichere Fahrradverbindung für Pendler und Schüler – nicht nur für Ausflügler; versickerungsfähige Beläge und Regenrückhalteflächen anstatt Betonparkfeldern; ein Parkraumkonzept mit Anwohnerkontingenten, Parkplatzflächen außerhalb des Ortskerns und elektrischen Ladepunkten; sowie ein offener Beteiligungsprozess mit Nacht- und Wochenendterminen, damit auch Berufstätige mitreden können.
Wenn die Gemeinde die Planung jetzt nutzt, um längerfristige Regeln zu setzen – statt kurzfristiger Schönheitsreparaturen – hat Canyamel die Chance, lebenswert zu bleiben. Bleibt das Projekt oberflächlich, wird aus der versprochenen Aufwertung lediglich ein hübscher Vorplatz für mehr Durchgangsverkehr. Canyamel braucht keine neuen Bänke allein; es braucht Entscheidungen, die den Alltag hier schützen.
Fazit: Geld ist da. Die Frage ist, ob es in nachhaltige Alltagsqualität investiert wird – oder nur in neues Pflaster für die Touristensaison.
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