Die Hotellerie auf Mallorca meldet robuste Nachfrage auch außerhalb der Hauptsaison – und nutzt das, um Preise anzuheben. Wir schauen auf die Zahlen der Branchenstudie, fragen, wem das nützt, was in der Debatte fehlt und welche Maßnahmen die Insel wirklich entlasten könnten.
Wenn Nebensaison teuer wird: Warum Mallorcas Hoteliers weiter an der Preisschraube drehen
Leitfrage: Wie gerechtfertigt sind die Aufschläge in einer Zeit, in der Einheimische unter steigenden Lebens- und Wohnkosten leiden?
Am Passeig del Born riecht es morgens nach frischem Kaffee, Taxifahrer diskutieren über Stundenpläne, und am Hafen löst ein neuer Hotelbau immer wieder Seufzer aus. In diese Szenerie passt eine nüchterne Zahl: Die Branche meldet für September und Oktober eine Hotelauslastung von rund 85 Prozent – ein Punkt mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig stieg der Umsatz je Zimmer (RevPAR) auf etwa 118 Euro, und der durchschnittliche Zimmerpreis (ADR) liegt bei knapp 140 Euro, jeweils im Plus gegenüber 2024. Für den Frühling geben die Prognosen einen durchschnittlichen Übernachtungspreis von rund 152 Euro an, also nochmals deutlich höher als im Vorjahr.
Diese Zahlen stammen aus einer Marktanalyse des spanischen Hotelverbands CEHAT, erstellt in Zusammenarbeit mit einer großen Beratungsgesellschaft. Die Schlussbotschaft: Nachfrage ist vorhanden, Flugverbindungen sind gut, das makroökonomische Umfeld lässt Chancen zu – also wachse der Optimismus in der Branche. Daraus folgt für manche Betriebe die einfache Rechnung: Angebot knapp, Nachfrage stabil = höhere Preise, auch außerhalb der Hochsaison.
Eine kritische Lesart muss aber fragen: Wem nützen diese Aufschläge wirklich? Kurzfristig füllen steigende Raten Kassen und erleichtern offenbar Investitions- und Finanzpläne der Hotelbetreiber. Langfristig können dauerhafte Preissteigerungen jedoch das Image der Insel als preislich attraktives Reiseziel gefährden und die Balance zwischen touristischer Wertschöpfung und Lebensqualität für Bewohner verschieben.
Was in der öffentlichen Debatte auffällt, ist die fehlende Perspektive derjenigen, die weniger profitieren: Saisonarbeitende, Angestellte in Gastronomie und Housekeeping, Familien mit kleinen Einkommen. Branchenzahlen zeigen gute Auslastung, doch nicht automatisch bessere Löhne oder bezahlbare Wohnungen. CEHAT selbst verweist darauf, dass knapper Wohnraum die Personalgewinnung erschwert und fordert deshalb stärkeres Engagement beim Bau günstiger Wohnungen. Gleichwohl bleibt unklar, wie Preissteigerungen im Hotelsektor konkret in bessere Arbeitsbedingungen übersetzt werden sollen.
Ein weiteres Manko: Die Analyse konzentriert sich auf aggregierte Kennzahlen – Auslastung, Durchschnittspreise, Buchungstempo – sie sagt aber wenig über regionale Verwerfungen. Auf der Insel sehen wir Nachfragespitzen in Palma und an bestimmten Küstenorten, während kleinere Gemeinden eine andere Realität leben. Ein differenziertes Monitoring würde helfen: lokale Auslastungsdaten, durchschnittliche Beschäftigungszeiten, Anteil befristeter Verträge und tatsächlich gezahlte Löhne.
Was also tun? Konkrete Vorschläge, ohne Wunschkonzert, sondern pragmatisch:
1) Preis-Transparenz fördern: Ein offenes Dashboard mit ADR- und Auslastungsdaten für Gemeinden macht Marktverschiebungen sichtbar und schafft Druck für faire Praktiken.
2) Tourismusabgabe zielgerichtet einsetzen: Wenn die Ökosteuer tatsächlich erhoben wird, sollten Einnahmen verbindlich in bezahlbaren Wohnraum und Ausbildung gesteckt werden – nicht ins allgemeine Budget verschwinden.
3) Mitarbeiterwohnungen fördern: Kommunen könnten Pachtmodelle für Hotelmitarbeitende anbieten, freie Flächen zu günstigen Konditionen bereitstellen oder steuerliche Anreize für Hotels schaffen, Personalwohnungen zu bauen.
4) Saisonalität dämpfen: Städtepartnerschaften, Kongresse und Off-Season-Events fördern, außerdem koordinierte Fluganreize für ruhigere Monate – das glättet Nachfrage und verringert die Rechtfertigung für starke Preisaufschläge.
5) Branchenkodex für Preispolitik: Eine freiwillige Selbstverpflichtung, die überzogene Aufschläge in Nebensaison einschränkt und auf langfristige Aufenthaltsanreize setzt, könnte dem Image dienen.
Auf der Straße spürt man die Folgen: Eine Reinigungskraft in Palma, die früh morgens die Straßenbahnen nimmt, erzählt von steigenden Mieten; ein Taxifahrer rechnet, ob er künftig weniger Touristen mit geringerem Budget trifft. Das sind keine abstrakten Größen – das ist Alltag auf der Insel.
Am Ende muss die Frage erlaubt sein: Kann eine Insel zugleich Preisanpassungen an der Spitze des Marktes zulassen und den sozialen Zusammenhalt bewahren? Die Zahlen der Branche geben den Hoteliers derzeit Rückendeckung. Aber Wirtschaftlichkeitskennzahlen allein sind kein Ersatz für eine Politik, die Wohnraum, Beschäftigungsbedingungen und touristische Vielfalt zusammendenkt.
Fazit: Solide Auslastungs- und Preiskennzahlen erklären das aktuelle Verhalten vieler Hotels – sie rechtfertigen es nicht bedingungslos. Wer die Nebensaison verteuert, sollte zugleich dafür sorgen, dass der Nutzen der Preisentwicklung nicht nur in Bilanzen, sondern auch im Alltag der Insel ankommt.
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