Warum volle Busse Palmas Straßen nicht leerer machen

Mehr Busse, gleiche Staus: Palmas Verkehr steckt im Dilemma

👁 8200✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

Die EMT verzeichnet Millionen mehr Fahrgäste — und doch drücken weiterhin lange Autokolonnen die Luft an Palmas Hauptachsen. Warum volle Busse nicht automatisch weniger Stau bedeuten und welche Schritte jetzt nötig sind.

Mehr Fahrgäste, gleiche Staus: Palma hat ein Verkehrs-Dilemma

An einem dieser hellen, windstillen Morgen auf der Via de Cintura, der Espresso noch in der Hand, hört man zuerst das Summen der Motoren und dann das stetige Hupen. Die Busse der EMT rauschen voll besetzt vorbei, Fahrgäste mit Rucksäcken und Einkaufstüten drücken sich in den Türen — und doch bleibt die linke Spur ein Meer aus Autos. Die Zahlen bestätigen den Eindruck: Die EMT verzeichnete in den letzten zwei Jahren einen Sprung von rund 40 auf etwa 60 Millionen Fahrgäste. Trotzdem sind die Hauptachsen nicht merklich leerer geworden.

Die Leitfrage: Warum sorgt mehr ÖPNV-Nutzung nicht für weniger Autoverkehr?

Die Antwort ist zweigeteilt und unspektakulär: Viele neue Busfahrten ersetzen kurze Wege zu Fuß oder mit dem Rad, und gleichzeitig steigt die Anzahl der Menschen und der Lieferungen, die durch die Stadt fahren. Was in Statistiken als Erfolg aussieht, trifft sich im Alltag mit Lärm, Abgasen und einer täglichen Unsicherheit über die Fahrzeit. Wer früher fünf Minuten durch den Carrer schlenderte, nimmt heute aus Bequemlichkeit den Bus — oft für Residenten sogar kostenlos — und bindet so Kapazität, die nicht automatisch PKWs ersetzt.

Aspekte, die in der Debatte zu kurz kommen

Erstens: Liefer- und Pendelverkehr wachsen. Online-Bestellungen, mehr Baustellen und neue Wohnquartiere am Stadtrand bringen zusätzliche Touren, die morgens und abends zusammenlaufen. Zweitens: Parkraum bleibt teuer und zugleich verfügbar. Solange es einfach bleibt, das Auto am Ziel abzustellen — ob am Supermarkt oder vor der Schule — bleibt die Hemmschwelle niedrig. Drittens: Modal Split ist komplex; die Entscheidung, welches Verkehrsmittel man wählt, hängt von Komfort, Zuverlässigkeit und dem letzten Kilometer ab. Volle Busse zeigen Nachfrage, aber nicht zwangsläufig eine Verlagerung derjenigen, die morgens und abends lange Strecken mit dem Auto zurücklegen.

Eine Busfahrerin, die ich am Passeig Mallorca traf, fasste es nüchtern zusammen: „Die Busse sind voll, das sieht man. Aber an der Ampel neben mir ­ — immer noch die gleichen Karawanen von Autos.“ Das Geräusch der Stadt bestätigt ihre Perspektive: Motoren, Reifen auf Asphalt, ein Fahrradklingeln aus der Ferne — und dazwischen die Stimme des Fahrplans, die die Haltestellen zählt.

Konkrete Folgen für Pendler, Anwohner und Händler

Auf den zentralen Achsen registriert der Verkehrszähler weiterhin rund 14.300 Fahrzeuge täglich — ungefähr der Wert von vor sechs Jahren. Für Pendler bedeutet das: unberechenbare Fahrzeiten, verschobene Termine, höhere Betriebskosten. Für Anwohner: längere Lärmzeiten, schlechtere Luft und weniger Lebensqualität. Für Geschäfte kann Stau sowohl Fluch als auch Segen sein: Lieferungen werden komplizierter, gleichzeitig bleiben Kundinnen und Kunden in den Vierteln, statt durch die Stadt zu huschen.

Was jetzt nötig ist: mehr als nur bessere Busse

Volle Busse sind ein Fortschritt — aber alleine nicht ausreichend. Palma braucht flankierende Maßnahmen, die jene Verhaltensänderung fördern, die die Statistiken bislang nicht geliefert haben. Konkrete Schritte könnten sein:

- Busspuren konsequent ausbauen und kontrollieren: Wenn Busse im Stau stecken, verlieren sie Attraktivität. Separierte Busspuren und automatische Überwachung entlasten und beschleunigen den ÖPNV.

- Park-and-Ride an den Stadträndern stärken: Pendler abholen, bevor sie ins Zentrum fahren; mit schnellen, zuverlässigen Anschlussbussen und sicheren Fahrradabstellplätzen.

- Lieferzeiten intelligent verschieben: Nachtlieferungen für große Händler, zeitlich gestaffelte Zustellungen und feste Ladezonen entlasten die Spitzenzeiten.

- Parkraummanagement und Preisgestaltung: Weniger direktes Parken im Zentrum, attraktiver ÖPNV- und Bike-Bonus für Pendler, gezielte Anreize statt pauschaler Förderungen.

- Mikro-Mobilität und sichere Radwege: Mehr durchgehende, geschützte Fahrradachsen, bessere Abstellinfrastruktur und Integration in den öffentlichen Verkehr für das “letzte Kilometer”-Problem.

Und letztlich: eine ehrliche Diskussion über Flächennutzung. Wohnungsbau am Stadtrand bringt Menschen — und Verkehr. Wenn neue Quartiere entstehen, müssen Mobilitätskonzepte von Anfang an mitgedacht werden, nicht hinterher diskutiert werden.

Ein Ausblick aus Mallorcas Alltag

Die Lösung ist kein einziger Hebel, sondern ein Bündel aus Investitionen, Regelungen und Verhaltensänderungen. An einem heißen Nachmittag in Santa Catalina sieht man Eltern mit Einkaufstüten, Radfahrer auf schmalen Spuren und Touristen, die sich zwischen Lieferwagen hindurchquetschen. Es gibt Chancen: Eine verlässlichere Busverbindung kann Menschen überzeugen, das Auto stehen zu lassen — aber nur, wenn sie schneller, planbarer und komfortabler ist als die Fahrt im eigenen Wagen.

Fazit: Palmas steigende Buszahlen sind erfreulich — sie spiegeln eine Bereitschaft zur Nutzung des ÖPNV. Deutliche Entlastung der Straßen wird das heute aber nicht bringen. Dafür braucht es mutigere Planung, gezielte Eingriffe in Park- und Lieferströme und eine Bereitschaft, Gewohnheiten zu verändern. Sonst bleibt der morgendliche Kaffee an der Via de Cintura zwar warm, der Verkehr aber weiterhin laut.

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