Wenn die eigene Wohnung plötzlich zu eng wird
\nAm Markt in Palma um halb neun sieht man es meistens zuerst: Kinder, die zwischen Tüten und Markständen kreuzen, Großeltern mit Thermoskannen und ein paar zusätzliche Matratzen in der Ecke eines Hinterhofs. Das ist kein Einzelfall. Immer mehr Haushalte auf den Balearen teilen sich aus finanzieller Not eine Wohnung – oft mehrere Familien unter einem Dach.
\nNach aktuellen offiziellen Angaben leben inzwischen knapp 28.000 Haushalte in Mehrfamilien-Wohnsituationen. Hochgerechnet betrifft das rund 100.000 Menschen. Das ist mehr als nur eine Statistik: Es sind Nachbarn, Kolleginnen, die Friseurin in der Carrer de Sant Miquel, die plötzlich wieder bei den Eltern einzieht, weil die Miete nicht mehr zu stemmen ist.
\nDie Ursachen sind bekannt und treffen überall: steigende Mieten, weniger bezahlbarer Wohnraum, Ferienwohnungen, die dauerhaften Wohnraum reduzieren, dazu stagnierende Einkommen. Trennungen verschärfen die Lage. Ex-Partnerinnen ziehen oft zurück ins Elternhaus, weil eine eigene Wohnung schlichtweg unbezahlbar geworden ist.
\nEin Leben auf engem Raum
\nDas Zusammenleben bringt praktische Probleme: Badezimmer werden zu Schichtsystemen, Kinder teilen sich Zimmer, Privatsphäre schrumpft. Lehrer an einigen Schulen berichten von vollen Klassen und Kindern, die nachmittags kaum einen ruhigen Platz zum Lernen finden. Gesundheitlich kann Enge zusätzlichen Stress bedeuten – und das in einer Zeit, in der ohnehin viele Haushalte mit knapper Kasse jonglieren.
\nManche Nachbarschaften reagieren mit Improvisation: Gemeinschaftswaschmaschinen, Tauschbörsen für Möbel, Treffen, bei denen Ratschläge und Spielsachen ausgetauscht werden. Herzerwärmend, ja. Aber keine Lösung für das Grundproblem.
\nWas jetzt helfen könnte
\nDie Vorschläge sind nicht neu: mehr sozialer Wohnungsbau, strengere Regeln gegen die Umwidmung von Wohnungen in Ferienunterkünfte, Mietobergrenzen in zentralen Lagen. Manche Gemeinden testen bereits Modelle, etwa temporäre Mietzuschüsse oder Programme, die leerstehende Gebäude reaktivieren.
\nEs braucht schnelle Maßnahmen – und zwar vor Ort. Denn während wir diskutieren, schlafen Familien auf Sofas, Kinder teilen Zimmer und ältere Menschen geben die Gewohnheiten auf, die ihnen Halt geben. Wer morgens durch die Altstadt läuft, sieht die Folgen: nicht nur weniger freie Wohnungen, sondern ein Stück Stadtleben, das sich verändert.
\nKurz gesagt: Das Problem ist real, wächst und verlangt mehr Aufmerksamkeit als gut gemeinte Worte. Wenn wir jetzt nichts tun, wird der Alltag für viele noch enger – und lauter. Ich höre das an der Bäckerei, sehe es am Schulhoftor und spüre es in Gesprächen: Wohnraum ist knapp, und das schlägt auf die Stimmung.
\nEin Appell an die Verantwortlichen: Hände weg von kurzfristigen Lösungen – investieren wir in Wohnraum für Menschen, nicht nur für Zahlen.