Arbeitslosigkeit sinkt, mehr unbefristete Verträge und Gründer: Was der Herbstaufschwung auf Mallorca wirklich bedeutet – und welche Baustellen bleiben.
Herbst auf Mallorca: mehr als nur ein kurzlebiger Aufwind?
Morgens an der Plaça de Cort riecht es nach frisch gebackenem Brot, aus den Bäckereien klingt das vertraute Klappern von Blech und Bäckerwagen, und die Straßen füllen sich wieder mit Menschen, die nicht nur für die Touristensaison pendeln. Die offiziellen Zahlen für Oktober zeigen: rund 27.700 Arbeitslose auf den Balearen – etwa 1.800 weniger als im Vorjahr – und ein Rekord von mehr als 618.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einem Oktober. Das klingt nach Stabilität. Die Frage aber ist: Hält dieser Herbstboom, was er verspricht?
Das Positive – und die versteckten Fragen
Auf den Promenaden von Arenal bis Inca und in Vierteln wie Santa Catalina spürt man es: Handwerker, Kellnerinnen, Ladenbesitzer, die planen können, statt das nächste Saisonende zu fürchten. Mehr als 62 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge sind unbefristet, und die Zahl der Selbstständigen liegt bei über 106.000. Das ist ein ermutigendes Signal für Familien, für Mieterinnen und Mieter, für die lokalen Läden.
Doch der Blick unter die Oberfläche zeigt Lücken, die selten laut diskutiert werden. Wie viele dieser neuen unbefristeten Jobs sind tatsächlich in Vollzeit? Viele Stellen bleiben Teilzeit oder mit wechselnden Stunden – für Betroffene bedeutet das oft weiterhin unsichere Einkünfte. Und: Die hohe Zahl Selbstständiger kann ein Zeichen von Gründergeist sein, aber auch von einem Arbeitsmarkt, in dem Selbstständigkeit oft die einzige Möglichkeit ist, Arbeit zu bekommen – ohne soziale Absicherung und mit hohem Risiko.
Weniger Saison, mehr Struktur – aber nicht überall
Der traditionelle Nachsaison-Einbruch ist kleiner geworden, doch regional sind die Effekte sehr unterschiedlich. Palma zeigt andere Dynamiken als entlegene Orte im Tramuntana-Gebirge oder kleinere Gemeinden im Südwesten. Infrastruktur, Verkehrsverbindungen und digitale Anbindung entscheiden zunehmend darüber, ob ein Geschäft ganzjährig funktioniert oder doch wieder in den Sommer hineinflackert.
Auch die Nachfrage nach Wohnraum bleibt ein Dauerthema: Feste Jobs helfen, aber ohne bezahlbare Wohnungen bleibt die Mobilität eingeschränkt. Junge Familien, Pflegekräfte oder Lehrkräfte stehen oft vor der Wahl: länger pendeln oder wegziehen.
Was oft übersehen wird
Drei Aspekte, die in den Überschriften rar auftauchen, sind entscheidend: die Qualität der Arbeitsverhältnisse, die Versorgung der Beschäftigten (Kinderbetreuung, Gesundheit, Transport) und die Verwundbarkeit kleiner Unternehmen gegenüber bürokratischem Aufwand und Steuerlast. Ein Marktstand in Santanyí, der jetzt ganzjährig verkauft, braucht nicht nur Kundschaft — er braucht Lagerflächen, Winterstrom, Versicherung und ein klares Regelwerk für Genehmigungen.
Konkrete Schritte, damit der Aufschwung trägt
Wenn Mallorca und die Nachbarinseln wollen, dass dieser Herbstboom nicht zur Episode wird, müssen politische und wirtschaftliche Akteure jetzt an mehreren Hebeln ziehen. Einige realistische Vorschläge:
1. Gezielte Weiterbildung: Kostenlose oder geförderte Kurse für Saisonkräfte, die in Festanstellungen wechseln wollen – von Sprachen über digitales Marketing bis zu handwerklichen Zertifikaten.
2. Bürokratie abbauen: Ein One-Stop-Portal für Kleinunternehmer und Gründer mit klaren Leitfäden zu Steuern, Sozialversicherung und Genehmigungen.
3. Wohnraum für Beschäftigte: Fördermodelle für bezahlbaren Wohnraum, kommunale Mietkontingente oder steuerliche Anreize für Vermieter, die langfristig an Arbeitnehmende vermieten.
4. Unternehmensnahe Infrastruktur: Tagesbetreuungszeiten ausweiten, flexible Verkehrsanbindungen schaffen und Gewerbeflächen günstig verfügbar machen – gerade für Handwerk und Start-ups.
5. Gründerförderung: Kleinkredite, Mentorenprogramme und Coworking-Hubs in den Stadtvierteln, die kreativ arbeiten wie Santa Catalina oder die Altstadt, damit Ideen nicht nur abends im Café bleiben.
Blick nach vorn
Der leichte Aufschwung ist kein Zufall: Er ist Ergebnis von Anpassung, Mut und Lebensfreude auf den Inseln. Trotzdem sollte die Freude nicht zur Sorglosigkeit werden. Ohne gezielte Maßnahmen laufen die positiven Zahlen Gefahr, vom Wind der Saison wieder verweht zu werden.
Am Ende entscheidet sich vieles im Alltag: Wenn der Friseur länger aufhat, die Bäckerei investiert und junge Familien Wohnungen finden, verändert sich das Geräusch der Insel — weg vom hektischen Klappern der Saison, hin zu einem beständigeren Summen. Das ist die Chance: aus einer kurzfristigen Erleichterung einen dauerhaften Rhythmus zu formen. Und das wäre für Mallorca mehr wert als ein besonders guter Oktober.
Ein nüchterner Optimismus, gemischt mit klaren Hausaufgaben – so könnte der Herbst zum Beginn eines nachhaltigeren Arbeitsmarkts auf den Balearen werden.
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