Kreuzfahrten 2025 auf Mallorca: Boom mit Fragezeichen

Boom bei Kreuzfahrten 2025: Zahlen feiern, Bewohner zählen nach

👁 2174✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

511 Schiffsanläufe in Palma 2025 – das ist ein Plus von 2,4 Prozent. Doch ein Rückgang um 43 Prozent im Dezember und die Frage, was die Insel wirklich von diesem Wachstum hat, bleiben offen.

Boom bei Kreuzfahrten 2025: Zahlen feiern, Bewohner zählen nach

511 Anläufe – und trotzdem ein Dezember, der ruhiger läuft

Die Hafenbehörde verzeichnet für 2025 insgesamt 511 Kreuzfahrtanläufe in Palma de Mallorca, ein Plus von 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf den ersten Blick klingt das nach Erfolg: mehr Schiffe, mehr Gäste, klingelnde Kassen. Gleichzeitig fällt der Dezember aus dem Rahmen: nur neun Anläufe, 43 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.

Leitfrage: Wie viel von diesem wachsenden Kreuzfahrtgeschäft bleibt wirklich auf der Insel – und welche Kosten zahlen Anwohner und Umwelt?

Die Faktenlage ist klar: Im Dezember ist die Aida Luna mit vier Zwischenstopps das prägende Schiff im Winterprogramm; die Costa Smeralda ist das einzige große Mega-Schiff, das am 16. Dezember kommt. Boutique- und Expeditionsschiffe wie die Star Legend und Le Laperouse sind ebenfalls unterwegs, und die Routen verbinden Palma vor allem mit Häfen in Spanien, Italien und Frankreich. Auffällig ist die Rückkehr Algiers als Zielhafen und die Zunahme von Schiffen mit Heimathafen Palma: Reedereien verlagern Basisoperationen hierher, besonders für den deutsch- und britischsprachigen Markt.

Das Bild im Hafen ist vertraut: morgens auf dem Passeig Mallorca die Mischung aus Taxifahrern, Cafépersonal, Fischern am Kai und Gruppen älterer Passagiere mit Rollkoffern. Die Straßenlaternen werfen noch lange Schatten, das Meer glitzert, aber in der Luft liegt auch der Geruch von Diesel – ein Duft, der für viele Bewohner längst zur Routine gehört.

Kritische Analyse: Die Zahl 511 ist nicht automatisch ein Gemeinwohl-Indikator. Sie sagt nichts darüber, wie die wirtschaftlichen Erträge verteilt werden, wie hoch die Umweltkosten sind oder ob die touristische Infrastruktur – Müllentsorgung, öffentlicher Nahverkehr, Notfallkapazitäten – mithalten kann. Ein Beispiel: Winterkreuzfahrten bringen meist ältere Gäste, die oft Tagesausflüge buchen oder Hotels für kurze Aufenthalte nutzen. Das kann lokal Geschäfte beleben. Gleichzeitig vermeiden viele Reedereien Kosten durch minimalen Landaufenthalt: Gäste werden in großen Bussen zu Highlights transportiert und kehren dann aufs Schiff zurück. Der direkte Mehrwert für kleine, unabhängige Betriebe bleibt so begrenzt.

Was im öffentlichen Diskurs zu selten vorkommt: belastbare Zahlen zu Emissionen, zu Abwasser-Management an Bord, sowie transparente Angaben, wieviel der Hafenbetriebe an Gebühren einnehmen und wie diese Mittel verwendet werden. Auch die Frage nach saisonalen Verteilungen wird zu wenig diskutiert: Warum sorgt ausgerechnet der Dezember für so starke Schwankungen? Liegt es an geänderten Routen, an geringer Nachfrage oder an operativen Entscheidungen der Reedereien?

Außerdem fehlt oft die Perspektive der Anwohner. Wer in Portixol die Fenster öffnet, hört manchmal den Bordlautsprecher eines Schiffs, der durch die Nacht trägt; in Cala Major sehen Fischerboote Schlepprinnen in Hafennähe. Solche Alltagsmomente sind keine Schlagzeile, aber sie prägen die Lebensqualität.

Konkrete Lösungen, die nicht nur Schlagworte bleiben:

1. Ein öffentlich einsehbares Dashboard mit Anläufen, Gebühren, Emissionsdaten und Verwendung der Hafenerlöse. Transparenz schafft Vertrauen und Diskussion statt Vermutungen.

2. Ausbau der Landstrom-Versorgung am Passagierkai, mit verpflichtenden Zeitfenstern für Stationen großer Schiffe, damit Motoren im Hafen ruhen können.

3. Umweltgebühren, zweckgebunden für Küstenschutz, Abwasserbehandlung und verbesserten öffentlichen Verkehr an Anreisetagen – so zahlt der Verkehr direkt in erkennbare Infrastruktur.

4. Kapazitätsregelungen: ein Kilometermix aus maximaler Schiffsgröße pro Tag, klaren Limits für gleichzeitige Mega-Anläufe und gezielte Förderungen für kleinere Häfen, um Verdrängungseffekte zu vermeiden.

5. Anreize für Reedereien, lokale Lieferketten zu nutzen und Crew-Landgänge zu fördern, damit mehr Geld in die Stadt fließt statt in internationale Zuliefernetzwerke.

6. Ein formelles Beteiligungsverfahren für Stadtviertel mit hoher Hafenbelastung: regelmäßige Treffen, Lärmmonitoring und schnellere Beschwerdewege.

Punktiertes Fazit: 511 Anläufe sind eine Zahl, die Aufmerksamkeit verdient. Sie zeigt, dass Palma als Hafenziel attraktiv bleibt. Aber Attraktivität darf nicht nur in Anläufen gemessen werden. Wenn wir wollen, dass die Insel langfristig profitiert, müssen wir das Geschäft steuern: ökonomisch gerechter, ökologisch sauberer und mit echter Mitbestimmung der Menschen, die hier leben. Sonst bleibt von dem vermeintlichen Boom nur noch ein Foto vom glitzernden Hafen und die Rechnung, die andere begleichen müssen.

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