Der Consell erlaubt künftig fast überall auf Mallorca das Fangen des invasiven Blauen Krebses und spannt mehr Fanggeräte ein. Ein Reality-Check: Was fehlt, was könnte schiefgehen — und was hilft wirklich?
Inselrat will Blaukrabbe eindämmen — reicht das neue Maßnahmenpaket?
Leitfrage: Kann das Ausweiten der Fangrechte und das Zulassen zusätzlicher Geräte allein das ökologische Problem lösen?
Ab 2026 bis 2030 dürfen Freizeitfischer laut Beschluss des Inselrats den sogenannten Blauen Krebs in fast allen Gewässern Mallorcas fangen; nur Schutzgebiete sollen ausgenommen bleiben. Außerdem werden Angelruten, Keschern und Greifzangen offiziell zugelassen. Seit 2020 haben Hobbyanglerinnen und -angler nach Angaben des Consell bereits rund 15.000 Tiere aus dem Wasser geholt. Klingt nach praktischem Einsatz — aber die Antwort auf die Leitfrage ist komplizierter.
Erste kritische Beobachtung: Mehr erlaubte Geräte bedeuten mehr Aktivität an den Hafenmolen, an kleinen Buchten wie Portixol oder Cala Major und an den Felsufern der Nordküste. Morgens, wenn die Fähren noch rollen und Möwen ihre Kreise ziehen, sieht man jetzt schon immer öfter Eimer, Kescher und Gummihandschuhe. Das ist gut — aber es reicht nicht automatisch.
Ökologisch betrachtet ist die Blaukrabbe (Callinectes sapidus) eine Opportunistin. Sie vermehrt sich schnell, frisst Jungfische und Muscheln und kann bestehende Nahrungsnetze verschieben. Fangdruck durch Freizeitanfänger kann lokale Entlastung bringen, aber ohne koordinierte Strategie entstehen leicht Lücken: Fanggebiete werden ungleich genutzt, Nachwuchsbereiche bleiben unberührt, und Beifang von geschützten Arten durch unsachgemäße Methoden ist ein reales Risiko.
Ein weiteres Problem: Daten. Die Zahl von rund 15.000 gefangenen Tieren klingt beeindruckend — doch die Zahl sagt wenig über Bestandsentwicklung, Fangorte, Saisonverlauf oder Größe der Tiere. Ohne systematische Erfassung bleibt unklar, ob die Population schrumpft oder sich nur örtlich verschiebt. In der öffentlichen Diskussion fehlt häufig diese nüchterne Datensicht.
Kontrolle und Durchsetzung sind die zweite Baustelle. Wenn überall gefischt werden darf, braucht es klare Regeln zur Entsorgung gefangener Tiere, zu Schonmaßen und zu Meldepflichten. Sonst landen tote Krabben auf Hinterhöfen oder in der Mülltonne, und die Wirkung verpufft. Der Consell hat bisher keine flächendeckenden Meldewege genannt, die auch für Freizeithobbyfischer niedrigschwellig sind.
Was fehlt noch in der Debatte? Die sozialen Anreize. Viele Fischer handeln ehrenamtlich, aus Interesse oder Ärger über die sichtbaren Auswirkungen der Art. Wenn das Engagement aber nicht sichtbar gewürdigt und nicht mit einfachen Anleitungen ausgestattet wird, nimmt die Bereitschaft ab. In Gesprächen am Hafen von Sóller hört man oft: „Gern, aber wie mache ich das richtig?“
Konkrete Ansatzpunkte, die nachhaltig helfen könnten, sind keine Raketenwissenschaft — aber sie müssen kombiniert werden. Erstens: systematische Fang- und Melderegister. Ein einfaches Online-Formular, eine WhatsApp-Hotline oder eine App können Standortdaten, Fanganzahl und Größe erfassen. Zweitens: Schulungen an Häfen und bei Angelvereinen — kurze Workshops zur sachgerechten Handhabung, zum Vermeiden von Beifang und zur sicheren Entsorgung. Drittens: gezielte Entferner-Aktionen in Hotspots, begleitet von Wissenschaftlern der UIB oder von Meeresbiologinnen, um Daten zu validieren.
Darüber hinaus sollten die Regeln zu Fanggeräten sinnvoller gestaltet werden: Greifzangen und Keschern sind nützlich, aber Fallen und Reusen brauchen Größen- und Mesh-Vorgaben, um Jungtiere und Nichtzielarten zu schützen. Eine zeitlich befristete, aber kontrollierte „Fangzone“ mit zusätzlicher Überwachung könnte zeigen, ob erhöhter Druck die Population tatsächlich reduziert.
Ein pragmatischer Punkt: Verwertung. Auf Märkten oder in Restaurants dürfen invasive Arten nicht automatisch vermarktet werden — das kann neue kommerzielle Querverbindungen schaffen. Andererseits kann kontrollierte Nutzung (z. B. lokale Initiativen für Verwertung in Tierfutter oder Kompost, wenn hygienisch vertretbar) Anreize für mehr Fang schaffen, ohne den Markt zu befeuern.
Fehlt öffentliche Transparenz, fehlt Akzeptanz. Der Consell sollte die Maßnahmen mit klaren Berichten, Karten der Fangorte und Erfolgsindikatoren begleiten. Dann wissen die Nachbarn an der Promenade von Portixol oder die Bootsbesitzer in Port de Sóller, dass ihr Einsatz nicht nur symbolisch ist.
Alltagsszene: Ein Samstagmorgen an der Mole — ältere Herren mit Kaffeebecher, zwei Touristinnen, die eine Krabbe in einem Eimer betrachten, Kinder, die Fragen stellen. Das sind Momente, die man nutzen kann: Aufbau von „Mitmachstationen“ an Wochenenden, an denen Freiwillige Krabben zählen und kurz unter Anleitung reinigen. So entsteht Wissen und vor allem Vertrauen.
Fazit: Das erweiterte Fangrecht ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Allheilmittel. Ohne Datensysteme, klare Entsorgungswege, Schulung, Überwachung und vorsichtige Regelgestaltung drohen unerwünschte Nebenwirkungen — und die Blaukrabbe bleibt da. Der Inselrat hat die Erlaubnis erteilt; jetzt bleibt die Arbeit, das Ganze klug und handfest umzusetzen. Wer morgens am Wasser steht, spürt: Die Menschen wollen helfen. Jetzt braucht es die Strukturen, damit das Helfen auch wirkt.
Konkrete nächste Schritte, kurz: 1) Melde- und Datensystem einrichten; 2) Schulungen und Infostände an Häfen; 3) Hotspot-Kontrollen mit Wissenschaftsbegleitung; 4) klare Regeln zu Fallen und Schonmaßen; 5) transparente Erfolgsmessung und Kommunikation.
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