Son Macià Negre und Son Sales: Agrotourismus auf Mallorca — Chance oder Risiko?

Noch mehr Landhotels? Son Macià Negre und Son Sales bekommen Tourismusstatus – und was das für die Insel heißt

👁 2174✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

Der Inselrat erlaubt zwei große Possessions in Marratxí als Agrotourismusbetriebe. Wer profitiert, wer verliert Raum – und welche Regeln brauchen wir, damit Kulturerbe nicht zur Touristenfalle wird?

Noch mehr Landhotels? Son Macià Negre und Son Sales bekommen Tourismusstatus – und was das für die Insel heißt

Leitfrage: Wem nützt die Umwidmung historischer Possessions — den Dächern über dem Kopf oder dem Tourismuswachstum?

Der Inselrat hat zwei große Besitztümer in Marratxí, Son Macià Negre und Son Sales, formal so gestellt, dass sie künftig als Agrotourismusbetriebe genutzt werden können. Damit reiht sich die Entscheidung in eine größere Vergaberunde ein, bei der Plätze für bis zu 500 touristische Betten an Gebäude vergeben wurden, die als Kulturgut katalogisiert sind. Auf den ersten Blick klingt das nach Renovierung statt Verfall: verwaiste Fincas bekommen Leben zurück. Auf den zweiten Blick stellt sich die Frage, ob Kulturpflege hier nicht vor allem den Marktinteressen Platz macht.

Die Fakten sind kurz: Beide Possessions standen lange leer und verfielen. Neue Eigentümer wollen sanieren und touristisch betreiben. In der gleichen Ausschreibung erhielt auch ein prominentes Anwesen in Llucmajor, das als Hotel auf einer ehemaligen Festung dient, zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten. Dagegen blieben andere Anwesen wie S'Estalella oder sa Granja de Esporles von der Genehmigung ausgenommen — aus Gründen des vorbeugenden Denkmalschutzes oder weil Gemeinden bewusst touristische Umnutzungen verhindern wollten.

Die Entscheidung löst unterschiedliche Probleme und Risiken gleichzeitig aus. Positiv: Investoren bringen Geld für Restaurierung, Dächer werden repariert, Menschen können arbeit finden. Negativ: Wenn historische Gebäude nach Marktlogik geöffnet werden, besteht die Gefahr, dass Öffentlichkeit und lokale Identität verlorengehen. Ein altes Herrenhaus, saniert für zahlende Gäste, ist nicht automatisch „gerettet“; oft bleibt der Zugang für Einheimische eingeschränkt, und Nebenkosten wie Wasser, Müll oder Verkehr steigen in der Umgebung.

Im öffentlichen Diskurs fehlen drei Dinge: erstens transparente Kriterien, nach denen gerade Gebäude mit BIC-Status für touristische Plätze zugelassen werden; zweitens verbindliche Auflagen, die Renaturierung und lokale Nutzung sichern; drittens eine klare Verteilung der Einnahmen zugunsten der Gemeinde und nicht nur der Eigentümer. Ohne diese Elemente läuft die Insel Gefahr, Kulturgüter in verkleidete Ferienresorts zu verwandeln.

Ein ganz normales Bild im frühen Morgen in Marratxí zeigt, worum es geht: Auf der Straße nach Bunyola, wo die Zufahrt zu Son Sales abzweigt, fährt ein Lieferwagen zum Markt, während Hühner hinter einer Mauer gackern und der Geruch von frisch gebackenen Ensaimadas aus einer Bäckerei weht. Ein paar hundert Meter entfernt klinkt ein Bagger seine Motoren an — Sanierungsarbeiten beginnen, aber die Nachbarschaft fragt: Wird unser Weg weiterhin öffentlich sein? Wer bezahlt die Parkplätze, wenn plötzlich Gäste kommen?

Konkrete Vorschläge, damit der Umbau in Agrotourismus nicht nur Eigentümern nützt: verbindliche Verträge zur Erhaltung denkmalwerter Substanz; Begrenzungen der Gästezahlen pro Gemeinde; Pflicht zu lokalen Arbeitsverträgen und bevorzugtem Einkauf bei örtlichen Produzenten; Transparentmachung der eingereichten Restaurierungspläne und eine Anwohnerbeteiligung vor der Genehmigung. Außerdem sollten touristische Plätze in historischen Gebäuden an Gegenleistungen gebunden sein — zum Beispiel regelmäßige Tage mit kostenlosem Zugang für die Bevölkerung oder Einnahmenanteile für kommunale Restaurationsfonds.

Die Verkehrsplanung spielt eine Rolle: Son Macià Negre war lange uninteressant, weil eine geplante zweite Ringstraße von Palma direkt daneben verlaufen sollte. Das Projekt gilt politisch inzwischen als wenig realistisch, trotzdem bleibt die Nähe zu Verkehrsachsen ein Faktor, der künftig Lärm und Nachfrage antreibt. Der Inselrat muss solche Infrastrukturperspektiven bei Vergaben offenlegen.

Fazit: Die Wiederbelebung verfallener Possessions kann eine Chance sein, wenn Kulturpflege, Gemeinwohl und Tourismusnutzung gleichberechtigt behandelt werden. Ohne klare, öffentliche Regeln droht jedoch, dass historische Gebäude nur Kulisse werden — für teure Nächte und kaum greifbare Versprechen an lokale Gemeinschaften. Wer auf Mallorca durch Marratxí spaziert, hört heute das Bohren der Handwerker und die Kirchenglocken der Nachbarpfarreien. Es wäre schade, wenn bald die Stimmen der Nachbarn von Hotelklimaanlagen übertönt würden.

Checkliste für Behörden und Anwohner: Transparenz bei Vergaben, verbindliche Gemeindeklauseln, Limits pro Gebiet, öffentlich zugängliche Restaurierungspläne und ein Fonds für Denkmalschutz aus touristischen Einnahmen.

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