Ein Investor plant einen Neubau an Avenidas/General Riera – doch Denkmalschutz, unterschiedliche erlaubte Höhen und Nachbarschaftsproteste machen die Sache kompliziert. Was steht auf dem Spiel?
Avenidas im Zwiespalt: Neubau trifft geschützte Fassade
An der Ecke Avenidas/General Riera, wo die alte Bar Sagrera seit Jahren leersteht und von Efeu und Vergessen überzogen wird, ist wieder Betriebsamkeit im Gesprächsstoff. Ein privater Investor plant ein modernes Mehrfamilienhaus mit «großzügigen Wohnungen», wie es in den Entwürfen heißt. Die Nachbarschaft reagiert weniger euphorisch: Es geht nicht nur um Quadratmeter, sondern um die Identität einer Altstadtecke.
Die zentrale Frage
Kann man in Palmas Altstadt modernen Wohnraum schaffen, ohne die geschützte Substanz zu opfern? Genau das ist die Kernfrage, die die Stadtplanungskommission nun beschäftigt. Ein Teil der historischen Fassade steht unter Denkmalschutz. Gleichzeitig teilt eine unscheinbare Planungsgrenze das Grundstück in zwei Höhenzonen: in einem Bereich wären bis zu acht Etagen zulässig, nebenan recken sich bereits Gebäudekaufwerke mit zehn Stockwerken in den Himmel. Der Investor hofft auf Ausnahmen – und das ist der Punkt, an dem die Debatte an Schärfe gewinnt.
Im Rathaus wird inzwischen nicht nur juristisch gerechnet, sondern auch politisch. Die Denkmalschutzkommission wurde um einen Bericht gebeten: Wird die geplante Umgestaltung die geschützte Fassade respektieren, oder droht eine «geschlossene Hülle» über einem fragmentarischen Rest? Rechtliche Grauzonen nach der jüngsten Änderung des Wohnbaugesetzes der Balearen öffnen Optionen, aber sie schieben die Verantwortung an die Lokalpolitik zurück.
Was die Menschen in der Straße sagen
Auf der Carrer de Sant Miquel hört man diese Woche mehr Stimmen als üblich: eine Nachbarin, genervt, zündet sich eine Zigarette an und sagt knapp: «Wohnungen brauchen wir, aber nicht um jeden Preis.» Der Cafébesitzer an der Avinguda sorgt sich um die Straßenszene: mehr Platz für Autos, weniger Raum für Tische und Plaudern am Nachmittag. Junge Paare dagegen sehen Licht am Ende der Lücke – endlich bezahlbarere Angebote, damit Familien in Palma bleiben können. Die Diskussion ist lauter als der Verkehr, der an der Ecke ohnehin immer pulsiert.
Was selten gesagt wird: Der Schattenwurf höherer Baukörper verändert Mikroklima und Tageslicht für angrenzende Wohnungen. Mehr Etagen bedeuten oft auch mehr Aufzüge, mehr Müll, mehr Lieferverkehr – und damit eine zusätzliche Belastung für enge Altstadtstraßen. Solche Nebeneffekte tauchen in der öffentlichen Debatte erst, wenn ein konkreter Plan vorliegt.
Welche Interessen prallen aufeinander?
Auf der einen Seite steht der Druck, Wohnraum zu schaffen — die Insel braucht Wohnlösungen für Bewohner, nicht nur Feriengäste. Auf der anderen Seite steht der Schutz des historischen Stadtbilds sowie die Frage, wie städtebauliche Verträglichkeit definiert wird: Reicht das Argument, dass «nebenan auch höher gebaut wurde»? Oder schafft jeder Einzelfall einen Präzedenzfall für weitere Ausnahmegenehmigungen entlang des Altstadtrings?
Finanzielle Interessen der Investoren treffen auf das Bedürfnis nach Qualität des öffentlichen Raums. Politische Entscheidungsträger müssen abwägen: kurzfristiger Wohnungszuwachs versus langfristige Substanzpflege. Dazu kommt das Thema Transparenz: Welche Zugeständnisse macht der Bauherr, und können diese verbindlich in einem Bebauungsvertrag festgehalten werden?
Wenig beleuchtete Aspekte
Wenig diskutiert wird bislang die Alternative zur Neubaulösung: die behutsame Sanierung und Aufstockung vorhandener Strukturen, adaptive Re-Nutzung der Bar Sagrera als Gemeinschaftsraum oder Sozialwohnungen. Ein einfaches „Abreißen und neu“ ist nicht automatisch die beste Antwort auf Wohnraummangel, könnte aber politisch und wirtschaftlich reizvoll erscheinen.
Ebenso rar sind Überlegungen zur Mobilitäts- und Energiefrage: Könnte der Neubau verpflichtend weniger Parkplätze, dafür Fahrradraum und ein Carsharing-Angebot integrieren? Oder grüne Dächer zur Entsiegelung und zur Verbesserung des Stadtklimas? Solche Auflagen könnten einen Neubau verträglicher machen.
Konkrete Vorschläge — damit die Entscheidung nicht nur symbolisch bleibt
Stadtplanung braucht jetzt konkrete Instrumente, nicht nur Gutachten. Ideen, die Diskussion versachlichen könnten:
- Bindende Gestaltungsvorgaben: klare Vorgaben zur Fassadenbehandlung, zur Ablesbarkeit der historischen Substanz und zu sichtbaren Rücksprüngen in den oberen Geschossen.
- Soziale Quote: ein verpflichtender Anteil erschwinglicher Mietwohnungen im Neubau — idealerweise nicht nur als Zahlungsaufschlag, sondern als integrierter Bestandteil des Projekts.
- Verkehrs- und Lieferkonzept: zeitlich gestaffelte Anlieferungen, weniger private Parkplätze, dafür Ladezonen und Fahrradstellplätze.
- Beteiligung vor Ort: ein moderierter Planungs-Workshop mit Anwohnern, Gewerbe und Fachämtern, damit Konflikte früh sichtbar werden und Kompromisse tragfähig sind.
- Ökologische Auflagen: grüne Dächer, Dämmstandard, Regenwassernutzung — kleine Maßnahmen mit großer Wirkung in der dichten Altstadt.
Wie geht es weiter?
Die Denkmalschützer liefern bald ihren Bericht, die Stadtplanung tagt Anfang Dezember. Dann entscheidet das Rathaus, ob Ausnahmen gewährt werden oder die Pläne nachgebessert werden müssen. Bis dahin bleibt die Bar Sagrera eine verfallene Schaufensterfront — ein Mahnmal für Palmas Zögern zwischen Bewahren und Bauen.
Wer derzeit an der Ecke vorbeigeht, hört das Brummen der Busse, das Klappern von Geschirr aus dem Café und die Stimmen der Nachbarn — und fragt sich, ob die nächste Entscheidung mehr Raum für Menschen oder für Quadratmeter schaffen wird.
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