Rekord: Radprofis hieven Segelflugzeug in Son Bonet – Was bleibt offen?

Pedalkraft über der Startbahn: Ein Mallorca‑Rekord, der Fragen aufwirft

👁 2174✍️ Autor: Ana Sánchez🎨 Karikatur: Esteban Nic

Neun Profis von Red Bull–Bora–Hansgrohe haben auf Son Bonet ein Segelflugzeug per Muskelkraft in die Luft gebracht. Großes Spektakel — und zahlreiche offene Fragen zur Sicherheit, Zulassung und Öffentlichkeitsarbeit vor Ort.

Pedalkraft über der Startbahn: Ein Mallorca‑Rekord, der Fragen aufwirft

Leitfrage: Darf ein spektakulärer PR‑Rekord das Luftfeld von Son Bonet und das Vertrauen der Inselbewohner aufs Spiel setzen?

Am Dienstag vergangener Woche, bei trübem Himmel und rund 13°C in Palma, rollten neun Profis des deutschen Rennradteams Red Bull–Bora–Hansgrohe über die kurze Startbahn von Son Bonet. Mit einem 150 Meter langen Seil verbunden, sollten sie ein einsitziges Segelflugzeug allein durch Beschleunigung in die Luft bringen. Der Versuch gelang: Pilotenname, erreichte Höhe und Leistung – neun Fahrer, rund 6.500 Watt Spitzenleistung, eine Zielgeschwindigkeit von etwa 54 km/h und ein Steigen bis knapp 100 Meter – kursierten danach in Mitteilungen und Bildern. Die Aktion fand später auch eine Präsentation in Binissalem, begleitet von Vertretern des Sponsors und von Technikleitern.

Das Spektakel beeindruckt: Man stellt sich die Kettenrasseln, das Keuchen der Fahrer und das kurze Flattern des Segelflugs vor, während im Hintergrund die Palmen am Passeig Mallorca sich nicht viel darum scherten. Aber die Show wirft praktische Fragen auf, die im öffentlichen Diskurs bislang zu kurz kommen.

Kritische Analyse: Rein technisch ist ein solcher Start ein beeindruckendes Teammanöver, doch mehrere Risiko‑ und Rechtsdimensionen bleiben diffus. Son Bonet ist ein Sportflugplatz in unmittelbarer Nähe zu Palma; dort gelten Luftraumregeln, Genehmigungsverfahren und Sicherheitsauflagen, die sich vom normalen Radtraining deutlich unterscheiden. Wer hat die Betriebsgenehmigung für den Versuch erteilt? Welche Gutachten zu Belastung des Flugzeugs, zum Bruchverhalten des Seils oder zur Katastrophenabwehr lagen vor? Welche Verantwortung trug der Veranstalter gegenüber Dritten auf dem Boden oder in der Luft? Hier hätten unabhängige Sicherheitsprüfungen und transparente Hinweise lohnenswert sein können.

Was oft fehlt: Die Berichterstattung konzentriert sich auf das Spektakel und die Marke – nicht auf lokale Auswirkungen. In Son Bonet arbeiten Flugschulen, Hobbypiloten und Nachbarn; in Binissalem sitzen Winzer, die auf Ruhe bei Ernteterminen achten. Gab es einen Informationsfluss zu Anwohnern, wurden Lärmbelastungen und mögliche Störungen für andere Flugbewegungen geprüft? Wie sind Haftungsfragen geregelt, falls etwas schiefgeht? Solche Punkte gehören auf den Tisch, bevor man Rekorde feiert.

Eine Alltagsszene aus Palma hilft, das einzuschätzen: Montags spaziert man am Passeig Mallorca, die Busse rollen, Lieferwagen parken kurz – die Insel ist voller kleiner, gleichzeitig arbeitender Orte. Dort, wo Sportvereine, Flugplätze und touristische PR‑Aktionen zusammentreffen, reicht ein lauter Vorfall, um Misstrauen zu säen. Ein Anwohner aus Son Bonet, der den Start beobachtet hat, berichtete mir von der merkwürdigen Mischung aus Stolz und Unbehagen: Stolz, weil auf Mallorca wieder etwas Weltweites passiert ist; Unbehagen, weil er nicht wusste, wer die Verantwortung trug.

Konkrete Lösungsansätze: Erstens sollte jede Aktion dieser Art eine öffentlich zugängliche Genehmigungsakte haben — mit Sicherheitsgutachten, Notfallplänen und Versicherungspapieren. Zweitens empfehlen sich unabhängige Zeugen: eine technische Begutachtung durch eine externe Stelle und eine offizielle Bestätigung der Rekordkriterien, damit nachträgliche Zweifel ausgeschlossen sind. Drittens wäre eine Pflicht zur lokalen Kommunikation sinnvoll: Anwohner, Flugschulen und der Flughafenbetreiber müssen frühzeitig eingebunden werden. Viertens können klare Regeln für PR‑Events an Flugplätzen etabliert werden, die Frequenzen, Zeiten und Lärmkilometer begrenzen. Und fünftens: Für Rekordversuche im Raum Mallorca sollte ein standardisiertes Prüfverfahren entwickelt werden, das Risiko, Haftung und Umweltaspekte gleichermaßen bewertet.

Warum das wichtig ist: Mallorca lebt von dem guten Zusammenwirken vieler Nutzungen — Freizeit, Profi‑Sport, Landwirtschaft, kleine Luftfahrt. Ein gelungener Rekord bringt Sichtbarkeit und vielleicht touristischen Mehrwert. Aber wenn dafür Sicherheitsprozesse übergangen oder nur spärlich kommuniziert werden, bleibt am Ende nicht nur das Bild eines erfolgreichen Starts, sondern eine Reihe offener Fragen, die die Stimmung an der Startbahn trüben können.

Pointiertes Fazit: Beeindruckende physische Leistung und geschickte PR gehören zusammen, doch auf einer kleinen Insel wie Mallorca muss die Bilanz lauten: Spektakel ja, Sperrstunde für Transparenz nein. Son Bonet ist kein Spielplatz für ungeprüfte Experimente — und wenn die Pedalkraft künftig wieder ein Flugzeug hebt, sollten wir vorher wissen, wer die Verantwortung trägt und wie sicher der Himmel über uns bleibt.

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