Bora-Peloton startet Segelflugzeug auf Son Bonet – ein kritischer Blick

Als Pedalkraft ein Segelflugzeug starten: Was der Bora-Stunt auf Son Bonet wirklich aussagt

👁 2317✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

Neun Profis des Teams Red Bull–Bora–Hansgrohe zogen auf Son Bonet ein Segelflugzeug per Fahrrad in die Luft. Beeindruckend — doch der Vorfall wirft Fragen zu Sicherheit, Zulassung und PR-Logik auf.

Als Pedalkraft ein Segelflugzeug starten: Was der Bora-Stunt auf Son Bonet wirklich aussagt

Am Dienstagvormittag herrschte an der Einfahrt zum Flugplatz Son Bonet ein ungewöhnliches Treiben: statt der üblichen Kleinflugzeuge und Wartenden mit Kaffeebechern standen Radtransporter, Techniker mit Funkgeräten und ein Seil, das 150 Meter über den Asphalt zog. Neun Fahrer des Teams Red Bull–Bora–Hansgrohe spannten sich dann in ein Geschirr – und brachten nach wenigen Sekunden ein Segelflugzeug in die Luft. Beeindruckend. Aber ist das bloß eine PR-Nummer oder steckt mehr dahinter?

Leitfrage

Kann ein solcher Rekordversuch sinnvoll eingeordnet werden, wenn sportliche Leistung, technische Risiken und kommerzielle Inszenierung so eng verflochten sind?

Kritische Analyse

Fakten, die bleiben: neun Fahrer, unter anderem Florian Lipowitz, beschleunigten gemeinsam an einem 150 Meter langen Seil; das Team gab an, die erforderlichen rund 54 km/h erreicht zu haben, die Pilotenangaben sprechen von einem Aufstieg bis zu etwa 100 Metern; technische Leitung war laut Projektmitteilung in den Händen von Dan Bigham, Pilot war Andy Hediger. Solche Fakten sind beeindruckend. Gleichzeitig ist der Versuch aber keine reine Sportleistung auf der Straße mehr, sondern ein Manöver mit Luftfahrt-Relevanz. Das bedeutet: Verantwortung teilt sich zwischen Sportlern, Piloten, dem Flugplatzbetreiber und dem Sponsor. Wer genehmigte die Aktion? Welche Sicherheitsanalysen wurden durchgeführt? Wie wurde das Risiko von Materialversagen (Seil, Geschirr, Befestigung) bewertet? Diese Fragen bleiben in der Öffentlichkeit weitgehend unbeantwortet.

Was im Diskurs fehlt

Die Debatte dreht sich schnell um Superlative – Weltrekord, neu, noch nie dagewesen. Dabei rücken drei Punkte kaum ins Blickfeld: Erstens die Regulierungsseite. Auf Mallorca gibt es klare Regeln für den Flugbetrieb und für Veranstaltungen auf Fluggeländen; welche Behörden involviert waren, ist nicht transparent kommuniziert worden. Zweitens die Haftungsfrage: Wer übernimmt die Verantwortung, wenn bei so einem Experiment etwas schiefgeht – medizinisch, rechtlich, finanziell? Drittens die langfristige Wirkung: Solche Aktionen setzen Standards für künftige Stunts. Wenn Sicherheitsprüfung und Dokumentation nicht offen liegen, besteht die Gefahr, dass andere nachahmen, ohne dieselben Ressourcen oder dass PR-Interessen Risiken relativieren.

Alltagsszene

Am späten Vormittag war die Straße nach Marratxí ruhig, die Marktfrauen vom nahegelegenen Wochenmarkt hatten gerade Pause. Ein alter Mann fütterte Tauben, zwei Jugendliche schauten auf ihr Handy und filmten das Seil, das wie ein ungewöhnlicher Draht über dem Flugfeld hing. Ein Ortsansässiger, der Kartoffeln für den Haushalt auf dem Rücksitz hatte, meinte fast beiläufig: „Schönes Spektakel, aber Hauptsache, niemand verletzt sich.“ Diese Mischung aus Neugier und Pragmatismus beschreibt, wie die Insel solche Ereignisse aufnimmt: Bewunderung gepaart mit der Erwartung, dass Regeln eingehalten werden.

Konkrete Lösungsansätze

1) Transparente Genehmigungsakte: Veranstalter sollten Genehmigungen, Risikobewertungen und Versicherungsnachweise öffentlich zugänglich machen oder zumindest den betroffenen Behörden offenlegen. 2) Externe Sicherheitsprüfung: Eine unabhängige technische Begutachtung etwa durch Luftfahrtexperten und Sportingenieure sollte Pflicht sein, bevor Menschen in ungewöhnliche physische Gefahrensituationen gebracht werden. 3) Standardisierte Protokolle für PR-Stunts: Ähnliche Aktionen brauchen Vorgaben zur Kommunikation mit Nachbarn, Flugverkehrssteuerung und medizinischer Bereitschaft vor Ort. 4) Klares Labeling: Wenn ein Ereignis primär PR-Zwecken dient, sollte das offen genannt werden; die Mischung aus Rekordversuch und Markeninszenierung muss erkennbar bleiben, damit Öffentlichkeit und Behörden angemessen reagieren können.

Zum Verhältnis von Sport und Show

Mallorca ist Trainingsboden für Profis, und Son Bonet ist Teil dieser Infrastruktur. Das macht die Insel attraktiv für ungewöhnliche Experimente. Allerdings gilt: Sportliches Können rechtfertigt nicht automatisch, dass luftfahrttechnische Risiken lediglich nebenbei geregelt werden. Wenn ein Pilot die Sicht zum Peloton verliert und nur auf Instrumente und Vertrauen fliegt, dann ist das kein netter Gag mehr, sondern ein Szenario mit kalkulierbarem Risiko, das dokumentiert sein muss.

Fazit: Der Peloton-Start am Son Bonet zeigt die rohe Kraft und Präzision, zu der Profi-Radsportler fähig sind. Gleichzeitig legt er offen, wie dünn die Trennlinie zwischen sportlicher Demonstration und von Unternehmen gesteuerter Inszenierung sein kann. Mallorca profitiert von der Aufmerksamkeit – solange Behörden, Veranstalter und Sponsoren bereit sind, Transparenz und Sicherheitsstandards nicht dem Showeffekt zu opfern.

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