Die spanische Weihnachtslotterie zieht weiter – aber auf Mallorca kaufen Einheimische inzwischen sparsamer. Ein Reality-Check: Geldknappheit, Touristenkäufe und was fehlt im Diskurs.
Wenn El Gordo knauserig wird: Warum Mallorquiner weniger Weihnachtslose kaufen
Ein Reality-Check zwischen Carrer Sant Miquel und dem Tabakladen im Sindicat
Worum geht es? Die alljährliche Hektik rund um die Weihnachtslotterie ist zurück, doch die Stimmung an den Kiosken ist zwiespältig. Touristen stecken wie immer gern größere Summen in Lose, Einheimische hingegen greifen spürbar seltener zu – manche kaufen nur zwei Lose für 40 Euro, andere Touristinnen legen schnell 100 Euro auf den Tresen. Die Leitfrage lautet: Liegt es allein am Geldmangel oder steckt mehr dahinter?
Analyse: Auf den Kopf gestellt wirkt die Szenerie fast typisch für Palma in der Vorweihnachtszeit. Im Carrer Sant Miquel steht morgens schon eine Schlange, auf dem Klingelbrett des Tabakladens im Sindicat hängen Stammkundennummern, und die Brüder hinter dem Tresen erzählen, dass die Verkäufe seit Mitte des Jahres zurückgegangen sind. Gleichzeitig meldet eine Lotterieannahmestelle, dass an guten Tagen noch immer Lose im Wert von rund 10.000 Euro wechseln. Das heißt: Die Gesamtnachfrage ist nicht verschwunden, sie hat sich verschoben – hin zu touristischen Käufern und zu größeren Käufen an wenigen, zentralen Stellen.
Was fehlt im öffentlichen Diskurs? Zahlen. Es gibt kaum öffentlich zugängliche Daten über regionale Verkaufsverteilungen, Alter der Käufer oder den Anteil von Touristen an den Umsätzen. Auch die Perspektive derjenigen, die sich das jährliche Loskaufen nicht mehr leisten, findet zu wenig Platz: Haushalte, die auf Strom- und Lebensmitteleinsparungen achten, streichen „Luxusausgaben“ früher als erwartet. Außerdem wird wenig darüber gesprochen, wie die Vertriebslogik (ganze Serien, Dezimos) den Zugang für Menschen mit kleinem Budget beeinflusst.
Alltagsszene: Es regnet leicht, eine junge Frau zieht die Kapuze über dem Kopf zusammen und steckt fünf Euro für einen „participación“-Schein ein. Der Kioskbesitzer zählt Münzen, murmelt „Diesmal weniger als letztes Jahr“ und warnt vor dem üblichen Andrang am letzten Samstag vor der Ziehung. Im Hintergrund singt jemand die Melodie der Ziehung aus alten Lautsprechern – ein Geräusch, das auf Mallorca zur Adventszeit gehört.
Konkrete Lösungsansätze: Erstens sollten Kioskbetreiber verstärkt kleine Gemeinschaftsanteile (participaciones) bewerben und klarer kennzeichnen, welcher Anteil wirklich gewonnen wird – Transparenz schafft Vertrauen. Zweitens könnten Gemeinderäte niedrigschwellige Initiativen prüfen: Gutscheine für sozial Schwächere oder Nachbarschafts-Pools, die das Ritual des Loskaufens erhalten, ohne Haushalte zu überfordern. Drittens können Verkaufsstellen digitale Teilzahlungen und Benachrichtigungen einführen, damit Kunden auch mit kleinen Beträgen teilnehmen. Viertens: Eine einfache, lokale Erhebung (Kurzbefragungen in Kiosken) würde endlich belastbare Zahlen über Käuferprofile liefern und die Debatte versachlichen.
Fazit: Die Weihnachtslotterie bleibt ein kulturelles Lichthupenereignis, aber das Bild ist gesplittet: Manche Kioske schwimmen noch im Umsatz, viele Stammkunden sparen. Die Diskussion darf nicht nur sentimental bleiben über „traditionelles Loskaufen“ – sie braucht Daten, einfache Hilfen für Haushalte mit knapper Kasse und konkrete Angebote von den Verkaufsstellen. Sonst droht El Gordo für viele Mallorquiner zur teuren Erinnerung an bessere Zeiten zu werden.
Was jetzt zählt: Offenheit von Verkäufern, ein paar kommunale Ideen gegen Ausschluss und die Rückkehr zu kleinen, bezahlbaren Beteiligungsformen – das könnte der Lotterie wieder einen echten Platz in vielen Taschen geben.
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