Immobilien: Ausländer kaufen über 60 % in Mallorcas Dörfern

Die 60‑Prozent‑Dörfer: Wie ausländische Käufer Mallorcas Nachbarschaften verändern

👁 17482✍️ Autor: Ana Sánchez🎨 Karikatur: Esteban Nic

In Andratx, Fornalutx, Deià, Calvià und Pollença gehen mehr als 60 % der Immobilienverkäufe an Ausländer. Was bedeutet das für Preise, Alltag und Zukunft der Dörfer?

Welche Folgen hat es, wenn in manchen Dörfern mehr als 60 % der Käufe an Ausländer gehen?

Wer an einem sonnigen Morgen über den Markt von Pollença schlendert, hört Olivenhändler rufen, riecht frisch gebackenes Brot und sieht Touristen mit Kamera — aber spürt selten die Statistik, die hinter all dem steht. Die aktuellen Daten zeigen: In Orten wie Andratx, Fornalutx, Deià, Calvià und Pollença sowie in vielen Gemeinden der Tramuntana entfallen inzwischen mehr als 60 Prozent der Immobilienkäufe auf ausländische Käufer. Eine Zahl, die langsam, aber deutlich nachbarschaftliche Muster verschiebt.

Wer kauft, wo das Geld landet

Die Nachfrage konzentriert sich auf Küstenzonen und die Panoramadörfer im Gebirge. Kein Wunder: Das Meer, die engen Gassen und die Aussicht sind jetzt Handelsware mit Preisetikett. Deià notiert Durchschnittswerte in Richtung 8.900 Euro pro Quadratmeter, in Teilbereichen Palmas werden bis zu 10.000 Euro/m² gezahlt. Im Kontrast dazu stehen Wohngebiete im Inselinneren mit rund 1.600 Euro/m². Auf den Balearen gibt es aktuell knapp über 618.900 Wohnungen; die durchschnittliche Wohnfläche liegt bei etwa 164 m² (Palma: ~134 m²).

Was in der öffentlichen Debatte oft zu kurz kommt

Die offensichtlichen Folgen — steigende Preise, höhere Mieten — sind nur die halbe Geschichte. Etwas seltener diskutiert werden: die Auswirkungen auf Infrastrukturen und Dienstleistungen, die Entleerung von Dörfern in den Nebenzeiten, und das Problem leerstehender Zweitwohnungen, die Häuser für Monate isoliert zurücklassen. Über die Hälfte der Gebäude wurde vor 1980 gebaut; viele entsprechen nicht heutigen Energie- und Wohnstandards. Das bedeutet: steigender Sanierungsbedarf bei gleichzeitigem Kaufboom für teure Bestandsimmobilien.

Welche sozialen Spannungen entstehen?

Wenn Käufer mit internationalem Einkommen Einfamilienhäuser als Feriendomizile nutzen, verlagert sich das Leben. Junge Einheimische sehen sich verdrängt, Handwerksbetriebe haben boomende Monate und dann lange Ruhephasen, öffentliche Schulen und wenige Läden kämpfen mit schwankender Nachfrage. In Fornalutx, an einem nebligen Dienstagmorgen, sagte eine Verkäuferin in der Bäckerei: "Die jungen Leute können kaum bleiben." Keine Wut, eher stille Resignation. Solche Beobachtungen sind keine Anekdoten — sie spiegeln demografische Verschiebungen wider.

Wirtschaftliche und ökologische Nebenwirkungen

Der Bau- und Renovierungsdruck bringt sowohl Chancen als auch Schattenseiten: Mehr Aufträge für Gewerke, aber auch höhere Verbauung von freien Flächen, mehr Ressourcenverbrauch und die Frage, wer die nötigen Fachkräfte stellt. Industriell vorgefertigter Wohnungsbau könnte die Bauzeiten um rund 30 Prozent verkürzen und ist deshalb in Expertenrunden ein wiederkehrender Vorschlag. Doch Vorlagepläne und Betonplatten allein lösen nicht das Problem gesunder, gemischter Gemeinden.

Konkret: Was ließe sich ändern?

Es gibt praktikable Ansätze, die über Verbote und Panik hinausgehen. Einige Ideen, die auf Mallorca funktionieren könnten:

1) Sanierungsförderungen und Energiesubventionen: Zuschüsse für die Modernisierung vor 1980 errichteter Wohnungen, gekoppelt an die Bedingung, dass die Einheit langfristig vermietet oder selbst genutzt wird.

2) Modelle für bezahlbares Wohnen: Community Land Trusts oder kommunale Wohnungsfonds, die Grundstücke aus dem Spekulationsmarkt nehmen und dauerhaft günstige Mieten sichern.

3) Baugeschwindigkeit und Handwerk stärken: Förderprogramme für vorgefertigte, aber lokal angepasste Wohnmodule und Ausbildungsinitiativen für Bauhandwerker, damit nicht ausschließlich externe Firmen den Markt bedienen.

4) Nutzungsregeln und Transparenz: Eine verbindlichere Meldepflicht für Dauerwohnsitze versus Zweitwohnungen und eine strengere Kontrolle leerstehender Immobilien könnten die saisonale Entleerung abmildern.

Warum jetzt handeln Sinn macht

Die neuen Zahlen dürften Marktrealitäten schneller sichtbar machen; Verkäufer, die auf unrealistische Forderungen beharren, geraten unter Druck. Gleichzeitig ist die geplante Haushaltsumfrage (über 4.500 Haushalte, darunter eine Stichprobe von rund 1.200 Personen zwischen 18 und 44 Jahren) eine Chance: Die Daten können konkrete Bedarfe aufzeigen — vom Renovierungsstau bis zur Nachfrage nach kleinen, bezahlbaren Wohnungen.

Ein mögliches Szenario

Statt weiter nur über Verbote zu reden, wäre ein pragmatischer Ansatz klug: Pilotprojekte in betroffenen Gemeinden, kombiniert mit Förderingenieurwesen und klaren Regeln für Zweitwohnungen. So könnten Dörfer wie Fornalutx oder Pollença ihren Charakter behalten, ohne die wirtschaftlichen Vorteile eines attraktiven Immobilienmarkts zu verlieren. Leichter gesagt als getan — aber auch leichter, wenn man jetzt beginnt.

Am Ende bleibt die Frage: Wollen wir Orte, die nur noch in der Hochsaison leben, oder Dörfer mit echtem, ganzjährigem Miteinander? Die Antwort entscheidet sich auf Gemeindeebene, in Stadträten und auf dem Markt — und zwischen einem Verkauf und dem Schlüssel, den der nächste Käufer drehen wird.

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