Ein Luxusbebauungsprojekt mit 57 Wohnungen, historischen Tunneln im Boden und Preisen bis 9,5 Millionen Euro: Was bedeutet das für Es Jonquet, Santa Catalina und Palma?
57 Einheiten im Es Jonquet: Palmas neues Luxusprojekt stellt Stadtentwicklung auf die Probe
Leitfrage: Wem gehört der Paseo Marítimo — den Anwohnern, den Käufern mit Jetset-Budget oder der Geschichte der Stadt?
Im Schatten der Palmen am Paseo Marítimo entsteht in den kommenden Wochen ein neues Kapitel der palmesanen Immobiliengeschichte: 57 Wohnungen in einem mehrgeschossigen Komplex oberhalb des neu gestalteten Uferboulevards, zwischen Santo-Domingo-Platz und Hafenpromenade. Das Entwicklerunternehmen Xojay plant dort Apartments mit Terrassen, Gemeinschaftsbereichen und privaten Servicepaketen; nach Firmenangaben sind bereits knapp ein Viertel der Einheiten verkauft. Die Bandbreite der Preise reicht von mehreren Millionen bis hin zu einer 427 Quadratmeter großen Einheit, die mit 9,5 Millionen Euro veranschlagt wird. Ein Duplex mit 222 Quadratmetern trägt einen Preis von 3,6 Millionen Euro; Parkplätze sollen extra kosten, aktuell mit rund 75.000 Euro pro Stellplatz kalkuliert. Insgesamt sind 117 Stellplätze vorgesehen, ein Teil des Grundstücks bleibt als öffentliche Grünfläche ausgewiesen.
Was das Projekt in den vergangenen Monaten zusätzlich in Bewegung gesetzt hat, ist der Fund eines verzweigten Tunnelbaus auf dem Gelände. Architektonische Begutachtungen sprechen von einem mehrstufigen, noch nicht vollständig errichteten Schutzbau, der mutmaßlich in die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs zurückreicht. Die zuständige Denkmalpflege schätzt den Fund als historisch bedeutsam ein; topografische Aufnahmen und Dokumentationen zum Erhaltungszustand wurden bereits vorgenommen. Die lokale Denkmalschutzkommission hat der Einbindung des Bunkerkomplexes in das Bauvorhaben zugestimmt, so dass das Projekt nun die gefundenen Strukturen integrieren soll.
Kritische Analyse: Das Projekt vereint gleich mehrere Konfliktlinien. Erstens die soziale Dimension: In einem Viertel, das in den letzten Jahren eine Mischung aus traditionellen Läden, kleinen Cafés und neuen Boutiquen bekam, verändern exorbitante Preise das Gesicht der Nachbarschaft. Zweitens die denkmalpflegerische Frage: Wie konserviert man ein fragiles, unterirdisches Relikt, wenn darüber eine Luxusresidenz mit Wellnessräumen und Kinosaal errichtet wird? Drittens die Verkehrs- und Parkproblematik: 117 private Stellplätze klingen nach Komfort, bedeuten aber auch mehr Autos in einer engen Innenstadt mit beschränkten Zufahrten.
Was im öffentlichen Diskurs bislang zu kurz kommt, ist die konkrete Garantie für den Erhalt und die öffentliche Zugänglichkeit des gefundenen Tunnelsystems. Es gibt Aussagen zur Dokumentation und eine zustimmende Kommission, aber keine klaren Zusagen dazu, wie Menschen aus Palma dieses Erbe künftig erleben dürfen. Ebenso wenig wird offen diskutiert, wie die Preispolitik solcher Projekte langfristig den lokalen Wohnungsmarkt beeinträchtigt: Welche Signale senden Spitzenpreise von mehreren Millionen an junge Familien, Handwerksbetriebe oder die Beschäftigten in Gastronomie und Pflege?
Eine Alltagsszene zur Einordnung: An einem windigen Vormittag steigt der Duft von frisch gebrühtem Café aus den Türen des Mercat de Santa Catalina; Lieferwagen rangieren, Fahrräder klingeln, und der Müllmann fegt die Ecke beim Santo-Domingo-Brunnen. Bewohner kehren mit Tüten zurück, ältere Menschen diskutieren die Parkplätze, Kinder schauen neugierig auf die abgesperrte Baustelle. Solche Bilder zeigen, dass Palmas Innenstadt keine Kulisse ist, sie ist Arbeits- und Lebensraum — kein Showroom für Exklusivkäufer allein.
Konkrete Lösungsansätze, die die Stadtverwaltung, die Entwickler und die Nachbarschaft ernsthaft prüfen sollten: 1) Ein öffentlich zugängliches, technisch gesichertes Besucherprogramm für den Tunnelkomplex mit begleitender Informationsausstellung — das macht Geschichte erlebbar, statt sie anonym unter Luxusbeton verschwinden zu lassen. 2) Eine verbindliche Quote für preisgünstigen Wohnraum oder Mietpreisbremse im direkten Umfeld von Großprojekten, finanziert durch eine Erschließungsabgabe der Entwickler. 3) Ein stadtplanerischer Vertrag zur Verkehrssteuerung: mehr Platz für Fußgänger, geregelte Lieferzeiten und ein Anreizsystem für Bewohner ohne zweiten Pkw. 4) Transparenzpflichten bei Verkauf und Vermarktung: Offenlegung von Käuferherkünften und Nutzungskonzepten, damit die Kommune Entwicklungen besser einordnen kann.
Warum das wichtig ist: Palma ist keine geschlossene Privatinsel für Reiche; die Stadt lebt von Mischungen — von Märkten, Handwerk, alt eingesessenen Familien und Neuzugezogenen. Wenn neue Projekte ausschließlich nach Rendite und Exklusivität geplant werden, schrumpft der Raum für genau jene Menschen, die den Alltag auf der Insel am Laufen halten.
Fazit: Das Bauvorhaben mit 57 Einheiten und dem überraschenden Fund eines historischen Tunnels bietet Chancen — aber nur, wenn die Interessen nicht allein von Investoren diktiert werden. Es braucht verbindliche Zusagen zur Bewahrung des historischen Befundes, konkrete Maßnahmen zur sozialen Verträglichkeit und eine verbindliche Verkehrs- und Grünraumplanung. Sonst droht aus einem spannenden Stück Stadtentwicklung schnell ein weiteres Kapitel der Entfremdung: Von der Uferpromenade, für die viele Palmesaner noch am Morgen ihren Kaffee holen, zur Privatmeile der wenigen Teuren.
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