Häusermieten auf Mallorca: Wenn hohe Langzeitmieten Einheimische verdrängen

Wenn die Häuser plötzlich wegmieten: Wie ausländische Mieter Nachbarschaften verändern

👁 4821✍️ Autor: Ricardo Ortega Pujol🎨 Karikatur: Esteban Nic

Monatliche Hausmieten von 4.000–6.000 Euro sind auf Mallorca keine Ausnahme mehr. Was bedeutet das für Familien, Nachbarschaften und die Zukunft der Insel – und welche Lösungen gibt es?

Wenn die Häuser plötzlich wegmieten: Wie ausländische Mieter Nachbarschaften verändern

Am Paseo hört man morgens das Meer, später das Klappern der Cafetassen, und abends schrillt irgendwo ein Kinderrad über den Bürgersteig. Doch in vielen Vierteln Palmas und entlang der Westküste ist die Geräuschkulisse nicht mehr nur mallorquinisch. In Santa María del Camí, Calvià oder Andratx erzählen Nachbarn ähnliche Geschichten: Ein freistehendes Haus wechselt den Besitzer oder den Mieter – und mit ihm verschiebt sich das Verhältnis der Menschen im Quartier. Monatsmieten von 4.000 bis 6.000 Euro sind längst keine Ausnahme mehr.

Leitfrage: Wer darf auf Mallorca leben – und zu welchem Preis?

Das ist die zentrale Frage, die heute mehr denn je in den Gassen und auf den Dorfplätzen diskutiert wird. Warum zahlen plötzlich Menschen solche Summen? Kurz: Remote Work, längere Saisonaufenthalte und die Suche nach Privatsphäre. Ein lokaler Makler fasst es lapidar zusammen: Viele kommen nicht mehr nur zwei Wochen, sie arbeiten hier, nutzen das Haus als Zweitwohnsitz über Monate – und möchten nicht kaufen. Für Vermieter ist das die ideale Mischung: solvente, langfristige Mieter ohne die Mühen eines Eigentümerwechsels.

Weniger sichtbar, aber wirksam: Viele Angebote laufen nicht über große Portale. Häuser werden per Netzwerk vergeben – an Kollegen, Freunde, Kontakte aus dem Ausland. Das schließt Einheimische ohne Verbindungen oft automatisch aus. Wenn der Bekannte eines Bekannten den Pool nutzen will, geht das Inserat gar nicht erst online. Die Situation wird noch komplexer, wenn man die Rolle von Vermittlungsplattformen betrachtet.

Wen trifft es – und wie verändert sich der Alltag?

Die Folgen sind praktisch und sozial. Familien berichten, dass Verwandte wegziehen müssen, weil die Miete für das Haus der Eltern zu hoch wird. Junge Paare überlegen zweimal, ob sie bleiben – oder für günstigere Mieten aufs Land ziehen. Schulen verändern ihre Einschreibungen, lokale Handwerksbetriebe merken andere Kundenwünsche. Was auf dem Papier nur eine Preisentwicklung ist, wirkt sich im Alltag auf Nachbarschaftsfeste, Fußballmannschaften und Ladenöffnungszeiten aus.

Es ist nicht nur eine Frage der Zahl auf dem Mietvertrag. Es geht um Empadronamiento, um die Möglichkeit, in einem Ort verwurzelt zu sein, um das Gefühl, dass Nachbarschaften nicht komplett austauschbar sind. Wenn der Bäcker plötzlich mehr britische Emails als mallorquinisches Gespräch hört, merkt man: Hier verschiebt sich Kultur und Alltag. Diese Beobachtungen sind Teil eines größeren Themas, das wir nicht ignorieren dürfen.

Was in der öffentlichen Debatte oft fehlt

Wir reden viel über Ferienwohnungen, aber zu wenig über die Grauzone dazwischen: die langfristigen, gut bezahlten Mieten an Expats und temporäre Residenten. Wenig beleuchtet ist auch, wie Vermieter Entscheidungen treffen: Sicherheit, Bankbürgschaften, Sprachbarrieren und bürokratische Erleichterungen für internationale Mieter spielen eine Rolle. Ebenso selten erwähnt: kommunale Vorrechte, wie Vorkaufsrechte der Gemeinden, die oft nicht genutzt werden – aus Mangel an Geld oder politischem Willen.

Und dann ist da die Frage der Infrastruktur: Mehr große Häuser mit ausländischen Mietern bedeuten nicht automatisch mehr Steuereinnahmen vor Ort, aber oft höherer Wasser- und Energieverbrauch. Das kann in trockenen Sommern zu zusätzlichen Spannungen führen, wenn die lokale Versorgung knapper wird. Ein Blick auf die Entwicklung der Mietpreise ist hierbei unerlässlich.

Konkrete Lösungsansätze – was jetzt helfen könnte

Es gibt kein Patentrezept, aber mehrere Hebel, die zusammen wirken können:

1. Kommunale Vorkaufsrechte nutzen und finanzieren. Gemeinden sollten Reserven bilden oder Fonds aufbauen, um Immobilien gezielt für soziale oder lokale Nutzung zu sichern. Das funktioniert besonders dort, wo Bebauungspläne Nachverdichtung erlauben.

2. Förderung von genossenschaftlichem Wohnungsbau. Wohnungsbaugenossenschaften oder kommunale Bauträger können langfristig Bezahlbares für Einheimische schaffen – mit transparenten Kriterien, wer einziehen darf.

3. Strengere Regeln für die Umnutzung von Wohnraum. Wer dauerhaft an kurzfristige Ferienvermieter oder an internationale Langzeitmieter vermietet, sollte steuerlich und lizenzrechtlich anders behandelt werden als der klassische Einheimische. Das inkludiert bessere Kontrolle von Lizenzen und härtere Sanktionen bei Umgehung. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um die lokale Kultur zu schützen.

4. Anreize für Verkäufe an Einheimische. Steuerliche Vergünstigungen oder Zuschüsse beim Erstkauf durch Personen mit langjährigem empadronamiento können helfen, Eigentum wieder zugänglicher zu machen.

5. Transparenz bei Angeboten. Ein öffentliches Register langfristiger Mietangebote – digital abrufbar – könnte Netzwerke aufbrechen und lokalen Familien Chancen geben, bevor Immobilien im Stillen vergeben werden.

Blick nach vorn

Die Insel ist zu schön, um sie nur als Urlaubsziel zu behandeln. Wer morgens in Campos den Markt besucht, spürt die Mischung aus Tourismus und Alltag: Fischverkäufer rufen, eine ältere Frau faltet die Brotzeit, der Tramuntana-Hauch mischt sich mit Abgasen. Es ist möglich, Lösungen zu finden, die den Mehrwert, den neue Bewohner bringen, mit dem Schutz der lokalen Gemeinschaft verbinden. Das erfordert Mut – von Gemeinden, Eigentümern und auch von uns Bürgern.

Ich werde in den kommenden Wochen tiefer graben, Betroffene treffen und Beispiele erfolgreicher lokaler Politik vorstellen. Wenn Sie auf Mallorca wohnen und eine Geschichte aus Ihrer Nachbarschaft haben, melden Sie sich. Dieses Thema betrifft die Klangfarbe unserer Straßen, das Lachen in den Schulhöfen und am Ende: unser Zuhause.

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