Die Balearen drängen auf eine dauerhafte Sommerzeit – ein Segen für Terrassen und Tourismus, aber auch eine Herausforderung für Schulen, Pendler und Behörden. Unser Lokal-Check: Wer gewinnt, wer verliert – und welche Pragmalösungen es geben könnte.
Die Leitfrage: Länger Licht am Abend – zu welchem Preis am Morgen?
Am Passeig sieht man es deutlich: Wenn die Sonne später untergeht, bleiben die Tische länger voll. Für viele Gastronomen auf Mallorca ist das kein Luxus, sondern pure Existenz. Die Balearen haben das verstanden und drängen auf dauerhafte Sommerzeit. Doch die Frage bleibt: Wie viel ist ein längerer Sommerabend wert, wenn im Gegenzug die Wintermorgen dunkler werden?
Warum hier vor Ort die Stimmung pro Sommerzeit ist
Die Argumente klingen pragmatisch. Längere Abende bedeuten mehr Gäste auf den Terrassen in Palma, Port de Sóller oder Cala d’Or, entspanntere Urlauber, längere Strandspaziergänge und damit Umsatz für kleine Stände an der Platja. Das ist kein abstrakter Wirtschaftswert, das ist hörbar: das Klirren von Gläsern, das Gemurmel von Tischen, das Brummen der Motorräder, die später heimfahren. Für Betriebe mit knappen Margen kann das den Unterschied zwischen Überschuss und Zuschuss machen.
Die weniger beachteten Nebenwirkungen
Allerdings werden oft Aspekte ausgeblendet, die in Marktplatz-Gesprächen weniger dramatisch klingen, in der Summe aber Gewicht haben. Pendler und Eltern fürchten dunkle Schulwege im Winter. Ältere Menschen reagieren sensibler auf veränderte Tageslichtmuster; Schlafrhythmen und Stimmung können leiden. Weniger thematisiert wird auch die Koordination mit Flügen und Fährverbindungen: Mallorca ist keine Insel der Isolation – Handelserleichterungen, Meetings und Touren mit dem Festland oder Europa brauchen Zeitabsprachen. Ein uneinheitliches System würde Pendler und Logistik komplizierter machen.
Was Verwaltung und Infrastruktur zu leisten hätten
Kein Hexenwerk, aber auch keine Lappalie: Schulen müssten ihre Stundenpläne prüfen, Busunternehmen frühere Linienoptionen anbieten, öffentliche Beleuchtung und sichere Übergänge an Schulwegen verbessert werden. Das kostet Planung und Geld – insbesondere in kleineren Gemeinden, wo die Kassen knapp sind. Und ja: Behörden müssten im Vorfeld kalkulieren, wie sich Notdienste, Kliniken und Schichtbetriebe bei veränderten Lichtverhältnissen organisieren.
Chancen, die gern übersehen werden
Die Debatte ist nicht nur Verzichtspartei gegen Genusspartei. Eine einheitliche, wohlüberlegte Entscheidung könnte auch Chancen bringen: Tourismusanbieter könnten Abendprogramme ausdehnen, lokale Produzenten mehr Abendmärkte anbieten, die Stromspitzen am Morgen glätten sich vielleicht, weil Menschen später aus dem Haus gehen. Außerdem bietet eine Insel wie Mallorca die Möglichkeit eines Pilotprojekts: Wenn hier Anpassungen funktionieren, lässt sich das Modell für andere Regionen verfeinern.
Konkrete, pragmatische Vorschläge
Wer nicht in Schwarz oder Weiß denkt, findet mehrere Wege, die Balance zu verbessern. Erste Idee: flexible Schulanfangszeiten in den Wintermonaten – gestaffelt nach Klassen oder Regionen, mit verbessertem Schulbusnetz. Zweite Idee: steuerliche oder organisatorische Anreize für kleine Gastwirte, die ihre Öffnungszeiten verlängern wollen, statt sie zwangsweise zu verpflichten. Drittens: ein Inselweiter Pilotversuch über zwei Winter, begleitet von Messungen zu Verkehrssicherheit, Energieverbrauch und Wohlbefinden. Viertens: eine Informationskampagne für Eltern und Arbeitgeber mit praktischen Tipps (sichtbare Kleidung, Begleitdienste, flexible Gleitzeitregelungen).
Wer entscheidet – und was das im Alltag heißt
Die Balearen können Druck machen, die Entscheidung liegt aber in Madrid und wird idealerweise europaweit abgestimmt. Solange die politische Ebene ringt, tun die Rathäuser gut daran, Vorbereitungen zu treffen: bessere Straßenbeleuchtung an Schulwegen, Schulweghelfer, Fahrpläne anpassen und mit den örtlichen Gastronomen Gespräche führen. Auf Mallorca bereiten sich viele Betreiber schon jetzt gedanklich auf spätere Abendprogramme vor – und hoffen, dass die Gäste bei einem Glas Cerveza noch länger bleiben.
Am Ende ist es ein Abwägen zwischen warmen Abenden auf dem Passeig und sicheren, hellen Wintermorgen. Die Insel hat die Chance, das Thema pragmatisch anzugehen – mit Pilotprojekten, Flexibilität im Schulbetrieb und einer guten Portion lokalem Pragmatismus. Und ja: Ein bisschen Sehnsucht nach langen Sommernächten spielt dabei immer mit.
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