In der Nacht wird die Uhr eine Stunde zurückgestellt. Auf Mallorca ist die Diskussion über Sinn und Folgen der Zeitumstellung lebendig: Von Busfahrplänen bis Sonnenuntergangszeiten, von Eltern bis Ladenbesitzern – was würde eine Abschaffung bedeuten?
Die Stunde, die zurückspringt – und die Diskussion, die bleibt
Wenn heute Abend die Plaça de Cort noch voll ist, merkt man es: Die Laternen flackern früher an, die Stimmen werden wärmer, der Geruch von Kaffee mischt sich mit kühler Abendluft. In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren auf Mallorca wieder um eine Stunde zurückgestellt – von 03:00 Uhr auf 02:00 Uhr. Für viele heißt das: eine Stunde Schlaf dazu. Für andere heißt es manuelle Korrekturen an Herd, Standuhr oder dem guten alten Radiowecker.
Die Leitfrage: Abschaffen oder beibehalten?
Die zentrale Frage lautet längst nicht mehr: "Wann stellen wir um?", sondern: Soll die halbjährliche Zeitumstellung überhaupt bleiben? Politisch wird die Idee diskutiert. Befürworter einer Abschaffung verweisen auf vermeintlich geringe Energieeinsparungen und auf Störungen des menschlichen Biorhythmus. Kritiker warnen vor unerwünschten Folgen für Alltag und Wirtschaft – ein besonders mallorquinisches Dilemma, weil sich Inselalltag, Tourismus und Landwirtschaft unterschiedlich auf Veränderungen einstellen.
Was auf Mallorca selten gehört wird
In der öffentlichen Debatte fehlt oft das feine Gefüge lokalverankerter Konsequenzen: Restaurants planen Terrassenzeiten nach Sonnenuntergang, Fischer in Port de Sóller richten sich seit Jahrzehnten nach Gezeiten und Licht, und viele ältere Nachbarn in Santa Catalina verlassen ihren Ladenplan nicht gern. Die Zeitumstellung trifft nicht nur den Chronotyp eines Stadtbewohners, sondern auch die Schicht eines Köchin, die Anfangszeiten einer Reinigungsfirma und die Fahrtrouten der Linienbusse auf der MA-19.
Wenig beachtet wird außerdem die Belastung für kleine Betriebe: Manuelle Korrekturen an Anzeigetafeln, vorgezogene Liefertermine oder kurzfristig geänderte Buchungszeiten bei Ferienwohnungen verursachen administrativen Aufwand – und damit Kosten. Auch die gesundheitlichen Folgen reichen tiefer als die oft zitierten eine bis zwei Nächte schlechteren Schlafs: Für Schichtarbeiter, Kinder und ältere Menschen kann der Wechsel Wochen brauchen, bis die innere Uhr wieder stimmt.
Praktische Tipps – kurz und konkret
Smartphones und neuere Autos regeln die Umstellung automatisch. Alte Standuhren, Backöfen und analoge Zeitmesser sollten Sie dennoch prüfen. Wer Frühflüge oder Fähren gebucht hat, schaut besser doppelt: Manche Fahrpläne werden manuell angepasst – in Port de Sóller etwa wurden Anzeigetafeln schon öfter kurzfristig korrigiert. Tipp für Eltern: Kita- und Schulzeiten langsam drei Tage vorher anpassen, damit Kinder nicht plötzlich übermüdet in den Morgen starten.
Konkrete Lösungsansätze für die Insel
Die Diskussion darf nicht in abstrakten Paragrafen enden. Drei pragmatische Vorschläge liegen nahe:
1. Regional abgestimmte Testphasen: Die Balearen könnten Pilotregionen bilden, um die Effekte einer dauerhaften Sommer- oder Winterzeit empirisch zu prüfen – mit klaren Messgrößen (Energieverbrauch, Unfallstatistiken, Arbeitsausfälle).
2. Bessere Kommunikation und Technik-Upgrades: Öffentlicher Nahverkehr, Hafenbetreiber und lokale Verwaltungen sollten automatische Updates und klare Hinweise liefern, statt manuell Tafeln zu ändern. Förderprogramme könnten kleine Betriebe beim Austausch analoger Geräte unterstützen.
3. Flexiblere Alltagszeiten: Schulen und Arbeitgeber könnten Eltern und Arbeitnehmern mehr Flexibilität beim Start in den Morgen ermöglichen – eine Maßnahme, die saisonal mehr Sinn macht als starre gesetzliche Vorgaben.
Warum es für Mallorca besonders knifflig ist
Die Insel steht zwischen zwei Interessen: Tourismusprofiteure freuen sich über lange Sommerabende auf den Terrassen, während manche Pendler und ältere Menschen hellere Wintermorgen bevorzugen würden. Eine dauerhafte Sommerzeit könnte Strandbars und Gastronomie beleben, bringt aber im Dezember dunklere Nachmittage; die dauerhafte Winterzeit würde die maritimen Frühschichten begünstigen, vermindert aber die Abendumsätze in der Sommersaison.
Diese Widersprüchlichkeit erklärt, warum die Debatte hier pragmatisch geführt wird: Gastronomen der Playa de Palma zählen Kunden am Abend, Radfahrer auf der MA-19 mahnen zu besserer Beleuchtung, Eltern in El Molinar klatschen bei einem zusätzlichen Schlummer – und die Tante in Santa Catalina bleibt am Fenster sitzen und sagt: "Früher war alles anders."
Ein Schluss, der offen bleibt
Ob die Stunde zurückspringt oder nicht, ist eine Mischung aus Technik, Politik und Gewohnheit. Auf Mallorca könnte der Weg in die Zukunft weniger über die Ideologie einer europaweiten Lösung führen und mehr über lokale Experimente, bessere Kommunikation und pragmatische Anpassungen. Bis dahin gibt es die zusätzliche Stunde – nutzen Sie sie für einen Spaziergang am Hafen, einen Kaffee auf der Plaça oder einfach ein kleines Nickerchen. Die Insel dreht sich weiter, mit oder ohne Zeigerwechsel.
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