Son Banya: Warum Abriss allein Palma nicht weiterbringt

Erneuter Großeinsatz in Son Banya: Abriss allein löst nichts

👁 4132✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

Am Camí de Son Banya wurde erneut provisorischer Wohnraum geräumt. Doch Baggern und Absperrungen bekämpfen nur Symptome. Palma braucht Sozialarbeit, Materialkontrolle und klare Eigentumsregeln, sonst kehren Hütten und Probleme zurück.

Erneuter Großeinsatz in Son Banya: Abriss allein löst nichts

Kurz nach sieben am Morgen sperrten Nationalpolizei und Guardia Urbana den Camí de Son Banya. Absperrbänder flogen im kalten Wind, Bagger ratterten, und der Geruch von nassem Zement mischte sich mit Benzin. Anwohner zogen die Fenster zu; einige standen neugierig auf den Balkonen, andere schüttelten resigniert den Kopf. Das Bild ist bekannt: ein Einsatz, viel Lärm — und am Ende oft nur eine kurze Ruhepause.

Kein Haufen Schrott, sondern komplexe Strukturen

Was hier abgerissen wird, ist mehr als Wellblech und Schilf. Zwischen den Hütten verlaufen improvisierte Stromleitungen, provisorische Wasserzuführungen, offene Feuerstellen und Müllberge. Das sind keine losen Einzelteile, sondern ein funktionierendes, wenn auch fragiles System. Deshalb mussten Einsatzkräfte behutsam vorgehen, damit bei den Abrissen niemand zu Schaden kommt. Die Realität vor Ort ist laut: das Knirschen von Schutt unter den Stiefeln, das Klappern von Metall, eine entfernte Kirchenglocke, die sich im kalten Wind verliert.

Die Leitfrage: Abriss — und dann?

Schon im Frühjahr wurden Hütten geräumt; Wochen später standen neue Bauten an gleicher Stelle. Die einfache, aber essentielle Frage lautet daher: Kann Palma das Problem dauerhaft lösen, wenn die Antwort immer nur Abriss heißt? Die nüchterne Antwort vor Ort ist: Nein. Abrisse behandeln Symptome, nicht Ursachen. Und das Verblüffende ist: Manche logistischen Fragen werden kaum öffentlich diskutiert — zum Beispiel, was mit dem entfernten Material passiert.

Wenn Bretter und Wellblech nicht sicher entsorgt oder gesichert werden, landen sie oft bald wieder als Baumaterial vor Ort. Solange es lukrativ oder billig bleibt, lohnt sich der Wiederaufbau. Hinzu kommt die unklare Eigentumslage vieler Flächen: Ohne eindeutige Besitzerrechte sind rechtliche Maßnahmen zäh und Entscheidungen können sich monatelang hinziehen.

Warum Sozialarbeit kein Luxus, sondern Pflicht ist

Ein Abriss ohne begleitende soziale Maßnahmen ist zum Scheitern verurteilt. Viele der Menschen in Son Banya sind sozial verletzlich: ohne Arbeit, ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, zum Teil abhängig von illegalen Einkünften. Ohne Streetworker, mobile Gesundheitsversorgung, Zugang zu Unterkünften oder Vermittlung in Beschäftigungsprogramme bleibt für sie nur der Weg zurück in die provisorische Siedlung.

Es geht nicht um Wohlwollen allein. Es geht um Pragmatismus: Wer präventiv soziale Angebote schafft, reduziert auf Dauer Sicherheitsprobleme, Gesundheitsrisiken und die Belastung für Nachbarn. Und: Ohne begleitende Angebote bleibt jede Räumung eine reine Verschiebung des Problems — oft nur um wenige Tage.

Weniger beachtet: Materialmanagement und Präsenz

Der Umgang mit Abrissmaterial ist ein unspektakuläres, aber entscheidendes Feld. Werden die Baumaterialien gesichert, vernichtet oder wiederverkauft? Solange Schrauben, Bretter und Wellblech in Umlauf bleiben, entsteht ein Anreiz zum Neubau. Das bedeutet Kosten: Lagerflächen, Personal, Entsorgung — alles kostet Geld. Aber es ist eine Investition, wenn dadurch Wiederbesetzung verhindert wird.

Ebenso wichtig ist die Nachsorge. Eine einmalige Räumung ohne anschließende Präsenz — sei es durch regelmäßige Kontrollen, Community-Policing oder gezielte patrouillierende Einheiten — bietet keinen dauerhaften Schutz. Dabei geht es nicht um ständige Überwachung, sondern um verlässliche, sichtbare Maßnahmen, die Neubauten erschweren.

Sieben konkrete Schritte für eine nachhaltigere Strategie

1. Eigentums- und Nutzungs-Check: Klare Kartierung, wem welches Grundstück gehört, um Rechtsgrundlagen zu schaffen.

2. Materialmanagement: Abgerissene Baustoffe sichern oder nachhaltig entsorgen, damit sie nicht zur Wiederverwendung taugen.

3. Soziale Begleitung: Mobile Teams, Streetworker und schnelle Vermittlungsangebote in Notunterkünfte und Arbeitsprogramme.

4. Präsenz nach der Räumung: Regelmäßige Kontrollen und lokales Community-Policing statt einmaliger Aktionen.

5. Beschleunigte Rechtsverfahren: Klare, schnelle Verwaltungsentscheidungen, damit Räume langfristig gesichert werden können.

6. Flächenentwicklung: Renaturierung oder legale Nutzungskonzepte, die das Gebiet dauerhaft unattraktiv für illegale Siedlungen machen.

7. Einbindung der Nachbarschaft: Informationsangebote und Mitspracherechte für Anwohner — ihre Beobachtungen sind oft präziser als jede Karte.

Ein Schritt — kein Abschluss

Die heutige Aktion wird, so heißt es, mehrere Tage dauern. Bagger und Lkw schaffen sichtbare Ergebnisse; für die Nachbarschaft ist das kurzfristig eine Erleichterung. Doch wer am Camí de Son Banya den Motor hört, das Rattern der Maschinen und den Geruch von frischem Zement, der merkt: Der Mensch im Mittelpunkt fehlt häufig in solchen Einsätzen. Palma braucht ein abgestimmtes Paket aus Recht, Sozialarbeit und Planung. Erst dann wird aus einem wiederkehrenden Großeinsatz eine nachhaltige Lösung — und die Stadt gewinnt mehr als nur ein paar Tage Ruhe.

Ich verließ den Ort kurz nach acht, mit dem knirschenden Geröll unter den Stiefeln und dem entfernten Klang der Kirchenglocke im Ohr. Solche kleinen Geräusche erinnern: Städte sind nicht nur Baupläne. Sie sind Menschen, Geschichten — und die müssen mitgedacht werden.

Für Dich gelesen, recherchiert und neu interpretiert: Quelle

Ähnliche Nachrichten