Schmierereien mit Hakenkreuzen an der Büste der Antifaschistin Aurora Picornell haben El Molinar erschüttert. Die schnelle Reinigung war wichtig – doch die Frage bleibt: Wie schützen wir Orte des Erinnerns langfristig?
Verstörende Szene am Passeig: Erinnerungsort beschmiert
Am späten Vormittag fanden Anwohnerinnen und Anwohner an der kleinen Gedenkstätte für Aurora Picornell in El Molinar schwarze Schmierereien: mehrere Hakenkreuze, die Zahl 88 und eine Zielscheibe auf der Brust der Büste. Zwischen dem Klirren der Tassen im Café nebenan und dem Schreien der Möwen wirkte die Szene wie ein Schnitt in den sonst so vertrauten Passeig – als hätte jemand absichtlich Unruhe über den Ort gelegt.
Mehr als nur Farbe: Das Muster hinter der Tat
Die Stadtwerke waren schnell zur Stelle und entfernten die Farbe innerhalb eines Tages, eine Anzeige wegen eines möglichen Hassdelikts wurde gestellt. Das ist nötig und richtig. Doch viele Menschen vor Ort sagen, das Entfernen ändert nichts an der Botschaft hinter der Tat: Das war kein spontaner Vandalismus, sondern ein gezieltes Zeichen gegen Erinnerungskultur und demokratische Werte. Ein älterer Herr, der jeden Morgen mit seinem Hund am Meer entlanggeht, fasste es so zusammen: „Die Farbe ist weg – aber die Botschaft bleibt in der Luft.“
Aurora Picornell: Warum diese Büste mehr ist als Stein
Aurora Picornell, 1912 in Palma geboren, war Gewerkschafterin und Aktivistin, 1937 hingerichtet. Ihr Name steht auf Straßen, in Ausstellungen und eben an diesem Passeig, wo die Büste 2019 auf Initiative lokaler Gremien aufgestellt wurde. Für viele Mallorquinerinnen und Mallorquiner ist sie ein Ort des Erinnerns an antifaschistischen Widerstand – kein bloßes Kunstobjekt. Genau deshalb trifft ein Angriff hier tiefer als ein beliebiger Akt der Zerstörungswut.
Zentrale Frage: Schützen wir unsere Erinnerungsorte oder flicken wir sie nur?
Der Vorfall wirft eine einfache, aber drängende Frage auf: Setzen wir auf Prävention – oder reagieren wir erst, wenn etwas passiert? Auf Mallorca sind solche Aktionen nicht an der Tagesordnung, doch wenn sie stattfinden, sind sie Symbolhandlungen: Sie sollen einschüchtern und provozieren. Dass die Täter rechtsextreme Codes verwendeten, lässt wenig Raum für Zweifel am Motiv. Die Konsequenz: Erinnerung wird nicht nur beschädigt – sie wird infrage gestellt.
Was oft zu kurz kommt
Die öffentliche Debatte bleibt häufig an der Oberfläche. Zwei Aspekte geraten zu selten ins Blickfeld: Erstens Prävention ohne Überwachungspanik. Niemand will jeden Quadratzentimeter mit Kameras zupflastern, aber dürfen wir Mahnmale schutzlos lassen? Zweitens die Rolle der digitalen Radikalisierung. Symbole wie 88 und andere Codes verbreiten sich online blitzschnell und wirken daheim wie zündende Ideen. Wer die Zeichen und ihre Hintergründe nicht kennt, kann kaum reagieren.
Konkrete Schritte – praktikabel und lokal
Es gibt keinen einfachen Schutzschild gegen Hass. Aber es gibt Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit solcher Angriffe verringern, ohne die Orte zu militarisieren:
1. Präventive Pflege: Anti-Graffiti-Beschichtungen und kurze Reaktionszeiten für Reinigungsteams sorgen dafür, dass Symbole nicht lange sichtbar bleiben und damit weniger Wirkung entfalten.
2. Nachbarschafts-Patenschaften: Schulen, Vereine oder Nachbarschaftsgruppen könnten Patenschaften für Mahnmale übernehmen. Wer regelmäßig präsent ist, verhindert oft mehr als Videoüberwachung.
3. Bildungsarbeit: Lokale Workshops zu Mallorcas Geschichte, zu Antifaschismus und digitalen Symbolen stärken das Verständnis – besonders bei Jugendlichen, die im Netz auf extremistische Inhalte stoßen könnten.
4. Präzise Polizeipräsenz kombiniert mit Dialog: Mehr sichtbare Präsenz bei sensiblen Orten, aber mit erklärendem Gespräch statt Panikmache. Präsenz soll schützen, nicht einschüchtern.
5. Systematische Dokumentation: Jeder Vorfall muss registriert und ausgewertet werden. Muster erkennen hilft, gezielter zu handeln.
Die Büste steht wieder – doch die Arbeit beginnt erst
Die Reinigung war schnell erledigt, die Büste steht wieder, sauber und unversehrt. Auf den Bänken am Passeig aber sprachen Anwohnerinnen am Abend über kleine Mahnwachen, Blumen und Solidaritätsgesten. Es sind solche alltäglichen Reaktionen – ein Plausch bei Kaffee, ein Hund, der fröhlich am Ufer schnüffelt – die der Insel ihre Widerstandskraft geben.
Wenn Mallorca sich eine Frage stellen muss, dann diese: Wollen wir Erinnerung verwundbar lassen oder bewusst pflegen? Eine saubere Büste ist nur der erste Schritt. Langfristiger Schutz braucht Bildung, Nachbarschaftsengagement und eine klare Haltung der Behörden. Sonst könnte man nach dem nächsten Kaffeklatsch am Passeig wieder Farbe entfernen – und dieselben Fragen erneut stellen.
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