Eine Erstbeobachtung: Eine erwachsene Garriguenschlange verschlingt ein Jungtier der Hufeisennatter. Was wie ein makaberes Naturfoto wirkt, ist für Mallorcas Ökologie ein Warnsignal – und zeigt Lücken bei Prävention und Monitoring.
„Eine Schlange frisst die andere“ – was der Kannibalismus unter invasiven Schlangen über Mallorcas Ökosystem verrät
Erstbeobachtung auf den Balearen bringt unbequeme Fragen
Leitfrage: Was sagt eine dokumentierte Szene, in der eine erwachsene Macroprotodon mauritanicus ein Jungtier der Hemorrhois hippocrepis verschlingt, über die Lage auf Mallorca – und was muss hier anders werden?
Der Vorfall ist kein Horrorfilm, sondern eine wissenschaftlich beschriebene Beobachtung in der Fachzeitschrift Acta Herpetologica, unterstützt vom Institut Biodibal. Ein erwachsenes Tier der sogenannten Garriguenschlange hat demnach ein Jungtier der Hufeisennatter gefressen. Das ist die erste dokumentierte Interaktion dieser Art auf den Balearen. Auf den ersten Blick eine außergewöhnliche Anekdote, auf den zweiten eine Art Symptom eines tieferliegenden Problems.
Kritische Analyse: Auf Mallorca breiten sich in den letzten Jahren vermehrt eingeschleppte Schlangenpopulationen aus. Laut den verfügbaren Angaben gelangten viele Exemplare offenbar in ausgehöhlten Olivenbaumstämmen von der Küste aufs Eiland. Das erklärt, warum die Finca-Straße zwischen Olivenkulturen und Sonntagsmärkten ein Brennpunkt ist: Baumstümpfe und alte Holzhaufen bieten Verstecke, der Transport lebender Pflanzen schafft Eintragswege. Ist das Grund genug für Kannibalismus? Nicht direkt. Vielmehr deutet das Ereignis auf eine veränderte Räuber-Beute-Dynamik hin: Wenn mehrere fremde Arten auf engem Raum aufeinandertreffen, ändern sich Konkurrenzdruck, Nahrungsangebot und Fortpflanzungserfolg – die Tiere reagieren darauf, manchmal brutal.
Was im öffentlichen Diskurs fehlt: Die Geschichte wurde als Kuriosum erzählt, aber selten als Folge eines Versagens in Prävention und Kontrollen. Es fehlt eine klare Debatte über Pflanzenimporte, Kontrollen in Baumschulen und die Verantwortung von Händlern und Landwirt:innen. Ebenfalls kaum diskutiert wird, wie Landbesitzer:innen und Gemeinden systematisch unterstützt werden können, hohle Stämme zu erkennen und zu behandeln, ohne dabei Unkrautvernichtung oder unnötige Rodungen zu fördern.
Eine Alltagsszene: Am frühen Morgen, wenn auf dem Wochenmarkt von Inca die Verkäufer ihre Olivenölkanister auspacken und der Duft von frisch gebratenen Ensaimadas in der Luft liegt, hört man auch das klappernde Geräusch der Kleintransporter auf dem Kopfstein. Ein alter Bauer, der seit Jahrzehnten Oliven erntet, zählt die Stämme und fragt leise, ob er die hohle Akazie am Wegesrand entfernen soll. Er hat schon Schlangen gesehen, zuletzt im Sommer „so viele wie noch nie“. Solche Beobachtungen sind wertvoll, werden aber selten systematisch erfasst.
Konkrete Lösungsansätze: Erstens: Ein Importregister und strengere Quarantäne für größere Pflanzentransporte, besonders für hohle Stämme wie alte Olivenbäume. Das muss nicht sofort ein generelles Verbot sein, aber Sichtkontrollen und gegebenenfalls Wärmebehandlung oder Begasung wären zu prüfen. Zweitens: Ein einfaches Melde- und Belohnungssystem für Landwirt:innen und Gärtner:innen, die gefährdete Stellen melden – zusammen mit kostenlosen Hinweisen zur sicheren Entnahme von Totholz und fachgerechter Lagerung. Drittens: Ausbau des Monitorings durch Kooperationen zwischen Biodibal, Universitäten und Gemeinden; regelmäßige Kartierungen könnten rasch Hotspots identifizieren. Viertens: Schulungen für Gemeindearbeiter:innen und Baumschulen, damit bereits beim Verladen Invasoren entdeckt werden. Fünftens: Öffentlichkeitsarbeit mit klaren, praxisnahen Tipps (kein Panik-Ratgeber, sondern: was tun bei Sichtung, wie Foto machen, wen informieren).
Praktisch bedeutet das auch: weniger Totholzlager in Nähe von Häusern, kontrollierte Beseitigung von ausgehöhlten Stämmen und gezieltes Management an Einfuhrpunkten. Das kostet Geld, aber weniger als großflächige Bekämpfungsprogramme, wenn das Problem erst einmal außer Kontrolle gerät.
Was sofort passieren könnte: Eine temporäre Richtlinie der Gemeindeverwaltungen für den Umgang mit hohlen Baumstämmen und größere Kontrollen in Baumschulen. Solche Maßnahmen lassen sich lokal ansetzen – auf der Finca, in der Baumschule, am Hafen. Experten wie Biodibal sind da schon involviert; sie brauchen jedoch mehr Personal und klare Meldekanäle, um Daten zu bündeln.
Fazit: Die verschlingende Schlange ist weniger ein Naturwunder als ein Warnsignal. Sie zeigt, wie menschliche Handelswege und mangelnde Vorsorge Ökosysteme verändern können. Das Bild einer erwachsenen Schlange mit einem Jungtier im Schlund sollte uns nicht zum Voyeurismus verführen, sondern zum Handeln: besser prüfen, besser melden, besser schützen. Sonst fressen sich die Probleme weiter durch die Insel – und irgendwann wirken die Lösungen, wenn sie kommen, zu spät.
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