Fast die Hälfte der Kaufverträge auf den Balearen lief im September ohne Hypothek. Die Zahlen der Notare zeigen nicht nur Geldmuster, sie werfen Fragen zur Zugänglichkeit des Wohnraums und zur Transparenz auf.
Warum auf Mallorca so viel Immobilienkauf bar bezahlt wird – und was das für die Insel bedeutet
Leitfrage: Weshalb greifen so viele Käufer auf den Balearen zum Geldbeutel statt zur Bank – obwohl Quadratmeterpreise bei fast 4.000 Euro liegen?
Die aktuellen Zahlen des Verbands der Notare sind klar: Im September wurden auf den Balearen 1.280 Kaufverträge für Wohnimmobilien registriert, parallel dazu 624 Aufnahmen von Darlehen. Das heißt: Nur 48,7 Prozent der Transaktionen liefen über Hypotheken, der Rest wurde direkt bezahlt. Die durchschnittliche Darlehenssumme lag bei 250.971 Euro und deckte im Schnitt 67,9 Prozent der Transaktionskosten. Gleichzeitig notieren die Inseln Preise von knapp 4.000 Euro pro Quadratmeter – weit über dem spanischen Mittel von rund 1.940 Euro.
Klingt widersprüchlich? Nicht unbedingt. Was die Zahlen zeigen, ist vor allem eines: Liquidität ist auf Mallorca konzentriert vorhanden. Käufer, die bar bezahlen können, brauchen keine Bankgarantie und bewegen sich unabhängig von Zinsphasen. Das erklärt, warum auch in einem Markt mit hohen Quadratmeterpreisen Bargeldkäufe dominieren.
Eine nüchterne Betrachtung der Segmentdaten macht das Bild konkreter: Im letzten September gingen die Verkäufe von Wohnungen um 4,9 Prozent zurück, die gekauften Wohnungen waren im Schnitt kleiner (99 Quadratmeter, minus 4,1 Prozent) und teurer (durchschnittlich 3.850 Euro/m², plus 9,7 Prozent zum Vorjahr). Bei Einfamilienhäusern stieg die Anzahl der Verkäufe (286, plus 24,3 Prozent) und die durchschnittliche Wohnfläche legte leicht zu; hier lag der Quadratmeterpreis bei 4.088 Euro (minus 11,3 Prozent zum Vorjahr).
So viel Statistik – nun die Praxis: An einem grauen Vormittag auf dem Passeig Mallorca liefert ein Blick aus dem Fenster die echte Stimmung. Vorbei rollende Mopeds, das Klirren von Tassen aus einem Café, Bautafeln an einer Ecke, ein junges Paar, das vor einem Schaufenster steht und schweigend eine Immobilie studiert. Für sie ist Barzahlung kein Gedankenspiel, sondern fern. Für andere, die Vermögen aus Verkaufserlösen oder Erbschaften parat haben, ist es tägliche Entscheidungsfreiheit.
Was bei der öffentlichen Debatte oft fehlt, ist die Herkunft dieser Barzahlungen. Kommen sie aus legalen Verkäufen, aus Erbschaften, aus Auslandsgeldern? Die Notare liefern Zahlen zur Verbreitung von Hypotheken, nicht jedoch vollständige, anonymisierte Profile der Käufer. Das Schweigen darüber erleichtert Spekulationen – und verhindert gezielte Politik.
Welche Risiken bringt das Bargeld-Übergewicht mit sich? Erstens: Erhöhte Preisdynamik in zentralen Lagen. Käufer mit großer Liquidität setzen Preisanker, an denen sich andere orientieren – auch Vermieter. Zweitens: Erschwerter Zugang für die Einheimischen-Generation, die auf Kredite angewiesen ist und sich in einer Welt hoher Eigenkapitalanforderungen wiederfindet. Drittens: Eine mögliche Verknappung des Angebots an langfristig vermietbarem Wohnraum, wenn viele Käufer Wohnungen als Anlageobjekt oder Zweitwohnung erwerben.
Was fehlt im öffentlichen Diskurs: konkrete Daten zur Käuferstruktur (inländer/ausländer, Erstwohnsitz/Zweitwohnsitz), Erkenntnisse zur Nutzung (Eigennutzung vs. Vermietung) und Informationen darüber, ob Barzahlungen mit steuerlicher Transparenz einhergehen. Solche Informationen würde es Politik und Verwaltung ermöglichen, punktgenaue Maßnahmen zu ergreifen.
Konkrete Lösungsansätze, die auf der Insel diskutiert werden sollten: Erstens, die Notarkammer könnte erweitere, anonymisierte Statistiken veröffentlichen, die Herkunftskategorien und Nutzungsabsichten umfassen, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Zweitens, Kommunen könnten gezielte Anreize für dauerhaften Wohnraum setzen – etwa durch steuerliche Vorteile für Eigennutzer und strengere Bedingungen für kurzfristige Vermietungslizenzen. Drittens, ein Fonds für günstigen Wohnraum, finanziert durch eine moderate Zusatzabgabe auf Luxus-Transaktionen, würde direkte Hilfe für lokale Käufer bieten. Viertens, geförderte Kredite oder Bürgschaften für junge Familien könnten den Zugang zu Hypotheken verbessern.
Kurzfristig sind praktische Schritte möglich: mehr Transparenz bei Inseraten (Angabe, ob Immobilie als Hauptwohnsitz vorgesehen ist), verpflichtende Meldungen über Leerstand auf Gemeindeebene und eine stärkere Verzahnung von Immobilienregister und Wohnungsämtern. Langfristig braucht es auch soziale Lösungen: kooperative Wohnprojekte, Nachverdichtung an Stellen mit guter Infrastruktur und kommunale Bauflächen.
Das Fazit ist scharf: Die Statistik des Notarverbands zeigt mehr als ein Zahlungsbild – sie ist ein Hinweis auf Ungleichheit im Zugang zum Wohnraum. Wenn auf Mallorca Preise Näherungen an 4.000 Euro pro Quadratmeter erreichen und zugleich viele Käufer bar zahlen, bleibt für einen großen Teil der Bevölkerung weniger Luft zum Atmen. Ohne Daten und ohne gezielte Politik werden sich diese Muster verfestigen.
Die Insel hat nicht nur Sonne und Meeresluft, sie hat Bewohner, Bäckereien, Schulen und Busstrecken, die funktionieren müssen. Wer morgens in Santa Catalina einen Kaffee trinkt, sollte nicht zusehen müssen, wie die Nachbarschaft für diejenigen unerschwinglich wird, die hier leben und arbeiten. Transparenz, gerechte Steuerregeln und konkrete Förderinstrumente könnten dafür sorgen, dass der Immobilienmarkt nicht nur den großen Geldbeuteln gehört – das ist die einfache, aber drängende Entscheidung, vor der Politik und Gesellschaft stehen.
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