Zwischen Zoom-Call und Sonnenuntergang
Ich habe in den letzten Monaten öfter Leute mit Laptop am Passeig Marítim gesehen. Morgens ein Meeting, mittags ein Spaziergang in der Sonne, am Abend ein Sprung ins Meer. Das ist das Bild, das Reiseanbieter jetzt unter dem Label „Workation“ verkaufen. Klingt verlockend. In der Praxis ist es ein bisschen komplizierter.
Angebote für jeden Geschmack – von Sparfüchsen bis Premiumgästen
Buchungsplattformen und Veranstalter haben das Potenzial erkannt. Es gibt Pakete, die drei Wochen und länger ausrichten, Sonderpreise für Langzeitgäste und sogar Hotels, die Bürosessel und Drucker in die Zimmer stellen. Einige Häuser werben ganz offen mit Coworking-Räumen, stabilem WLAN und Meetingzonen. Andere kombinieren All-inclusive mit Spa – ideal, wenn man nach dem Arbeitstag wirklich abschalten will.
Gerade außerhalb der Hochsaison füllen solche Buchungen Lücken. Auf Mallorca sieht man das an frühen Check-ins im Oktober und an Gruppen, die statt Party lieber zuverlässige Steckdosen und Tagungsräume buchen. Fluggesellschaften offerieren günstige Kombis, Billigflieger schalten flexible Umbuchungsoptionen – für Kurzentschlossene perfekt, wenn der Abschied aus dem Büro spontan fällt.
Das große Aber: Arbeitsalltag ist mehr als WLAN
WLAN allein macht noch keine produktive Workation. Wer wirklich arbeiten will, braucht Ruhe, gute Beleuchtung und ergonomische Sitzmöglichkeiten. Habe ich selbst erlebt: Ein Freund versuchte, eine Woche lang Berichte zu schreiben – der Strand war verlockend, das Hotelzimmer aber kein Büro. Ergebnis: mehr Ablenkung als Output.
Experten warnen davor, Arbeit und Freizeit zu vermischen. Rechtliche Fragen tauchen auf: Steuern, Versicherungen, Arbeitszeiten. Und die Gefahr besteht, dass am Ende weder die Arbeit gut erledigt noch der Urlaub erholsam war. Das ist kein Alarmismus, eher eine Erinnerung daran, dass Planung wichtig ist.
Für wen lohnt sich die Idee?
Für Selbstständige, Kreative oder Teams mit klaren Deadlines kann eine längere Auszeit auf der Insel viel bringen. Morgens brainstormen am Küchentisch einer Finca in Sóller, nachmittags ein Walk an der Cala Mayor – so entstehen manchmal die besten Ideen. Wer jedoch täglich Videokonferenzen mit hoher Konzentration hat, braucht mehr Struktur als ein Hotelbalkon bieten kann.
Und die Insel? Mallorca profitiert von Buchungen in der Nebensaison, Hotels bleiben offen, Cafés und kleine Läden leben länger. Das hilft der lokalen Wirtschaft. Aber gleichzeitig wächst der Bedarf an Infrastruktur: verlässliches Internet auch in kleineren Orten, Arbeitsplätze in Cafés und flexible Angebote von Vermietern.
Am Ende ist Workation kein Allheilmittel, sondern ein Angebot: clever genutzt, bereichert es den Alltag. Unvorbereitet gebucht, endet es oft in halben Projekten und Sonnenbrand. Der Liegestuhl steht jedenfalls bereit – dafür sorgt die Insel zuverlässig.