Ein Dach eines historischen escar in Son Bauló stürzt teilweise ein. Wer trägt Verantwortung, und wie lässt sich der kulturelle Küstenschatz langfristig schützen?
Alarm in Son Bauló: Ein escar verliert sein Dach — und mit ihm ein Stück Alltag
Am frühen Morgen roch die Calle del Mar nach feuchtem Holz und Meer: salzige Luft, der Schrei einer Möwe, das leise Klappern von Ruderbooten. Auf dem Kiesstrand lagen braune Holzsplitter, Fischer standen mit zitternden Netzen da und schauten aufs Wasser — und auf das, was vom Dach eines der traditionellen Bootshäuser, der hier «escar» genannten Hütten, übrigblieb. Für viele in Can Picafort sind diese Bauten mehr als Schuppen: Arbeitsorte, Erinnerungsorte und Taktgeber des Ortes. Dass eines von ihnen einfach nachgibt, fühlt sich an wie ein kleiner Verlust der Nahbarkeit.
Wem gehört die Verantwortung?
Die Frage ist einfacher gestellt als beantwortet: Gehört die Verantwortung den Eigentümern, der Gemeinde, dem Denkmalschutz — oder uns allen? Die Antwort, die sich vor Ort abzeichnet, ist leider typisch: niemand fühlt sich allein zuständig. Das Rathaus verweist auf spezialisierte Küstenbehörden, die Denkmalbehörde auf enge Zuständigkeitsbereiche. Ergebnis: ein Vakuum, bis etwas kaputt ist oder schlimmeres passiert. Die Leitfrage lautet also: Wollen wir, dass maritimes Kulturerbe an der Küste dem Zufall und dem Budgetkürzungsprinzip überlassen wird?
Wie konnte es so weit kommen?
Es ist kein spektakuläres Drama, sondern die Summe vieler kleiner Dinge: Alter, permanente Salzbelastung, Risse in Balken und jahrelange Vernachlässigung. Hinzu kommen die harten Winterstürme, plötzliche Herbstgüsse und heiße Sommer, die am Holz zehren. Vor Ort sprechen die Menschen von morschen Balken, von Löchern im Fundament, von Reparaturen, die nie richtig stattfanden. Aus einem kleinen Schaden wächst über Jahre ein Sicherheitsrisiko — und wenn es kippt, sind plötzlich alle überrascht.
Was in der öffentlichen Debatte oft zu kurz kommt
Drei Punkte, die in hektischen Pressemeldungen gern untergehen: Erstens sind viele escars in Privatbesitz, ihr Wert aber öffentlich — kulturell und wirtschaftlich, weil sie Teil des touristischen Bildes sind. Zweitens sind es häufig kleine, informelle Bauten, die in Zuständigkeitslisten verloren gehen. Drittens: Prävention wäre günstiger als Reparatur nach Einsturz, wird aber selten priorisiert. In Son Bauló zeigt sich das deutlich: Es fehlt ein systematisches, kommunales Monitoring, das Schäden früh erkennt und priorisiert.
Konkrete, pragmatische Lösungswege
Ein Komplettplan ist nicht nötig. Drei praktikable Schritte würden viel bringen:
1) Sofortprogramm für sichere Erstmaßnahmen: Lokale Handwerksbetriebe, die mit Küstenholz und traditionellen Techniken vertraut sind, in ein bezahltes Notfallteam einbinden. Schnell Abstützen, Absperren, provisorische Dachabdichtungen — damit niemand verletzt wird und weiterer Schaden begrenzt bleibt.
2) Inventarisierung statt Zettelwirtschaft: Ein kompaktes kommunales Verzeichnis aller escars mit einfachem Gefährdungsindex. Kein bürokratisches Monster, sondern eine Handreichung für Prioritätenvergabe von Fördermitteln und für schnelles Eingreifen nach Sturmsaison.
3) Mischfinanzierung und Anreize: Erhalt kostet. Ein Modell aus kleinen kommunalen Zuschüssen, gezielten Denkmalmitteln und moderaten Eigenanteilen der Eigentümer wäre realistisch. Ergänzend könnten steuerliche Erleichterungen für Restaurationsarbeiten und Zuschüsse für Materialien die Belastung mildern.
Mehr als Technik: Wissen und Tempo
Technische Lösungen helfen wenig, wenn die Menschen vor Ort nicht eingebunden sind. Schulungen für lokale Handwerker zu salzwasserresistenten Reparaturmethoden, ein kleines Handbuch für Eigentümer und eine Hotline der Gemeinde in Sturmsaisons wären überschaubare Maßnahmen mit großer Wirkung. Und eines ist entscheidend: Tempo. Eine provisorische Abstützung innerhalb von Tagen ist oft wirkungsvoller als ein Antrag, der Wochen in der Verwaltung fehlt.
Ein bisschen Realismus und ein Appell
Die unmittelbare Gefahr in Son Bauló ist momentan gebannt: Die Stelle ist markiert, Passanten werden aufmerksam. Doch das reicht nicht. Ohne koordinierte Schritte werden weitere escars folgen — nicht aus Gleichgültigkeit der Menschen, sondern aus der Ehrlichkeit von Salz, Wind und Zeit. Politik und Verwaltung müssen entscheiden, ob sie die maritime Kultur schützen wollen oder ob sie das langsame Verschwinden hinnehmen.
Wer morgens am Wasser steht und das Schaben von Netzen, das Knacken von Holz und das Gespräch der Fischer hört, weiß, was auf dem Spiel steht. Es geht nicht nur um Dächer, sondern um einen Alltag, der hörbar, riechbar und schützenswert ist. Ich bleibe dran und berichte, wenn sich Küsten- oder Denkmalschutzbehörde äußern — vor Ort zeigt sich: Baupflege an der Küste ist eine Frage von Tempo, Geld und Willen.
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