Ein Prozess in Palma dreht sich um mutmaßlich nicht offen gelegte Verbindlichkeiten von rund 25 Millionen Euro. Was bedeutet das für Mallorcas Immobilienbranche, die Anwohner und die Regeln, die wir brauchen, um Transparenz zu sichern?
Ein Gerichtstermin, der mehr als Zahlen betrifft
Am Morgen des 20. Oktober 2025 war die Via Alemania ungewöhnlich ruhig. Ein paar Touristinnen zogen ihre Jacken enger, die Kaffeedüfte vom Passeig Mallorca mischten sich mit dem Chlorgeruch der nahen Baustelle — und vor dem Gerichtsgebäude sammelten sich einige Fotografen und Neugierige. Im Mittelpunkt: der deutsche Investor Matthias Kühn. Im Raum steht der Vorwurf, Verbindlichkeiten gegenüber der spanischen Steuerbehörde in Höhe von etwa 25 Millionen Euro nicht korrekt offenbart zu haben.
Die Leitfrage: Buchhalterisches Ungeschick oder gezielte Umgehung?
Die Ermittlungen laufen seit mehr als zwei Jahren. Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden prüfen Transferbewegungen innerhalb eines Firmengeflechts — Spanien, Liechtenstein und offenbar auch andere Ziele spielen eine Rolle. Die zentrale Frage, die das Gericht beantworten muss, ist nicht nur: Wurden Zahlen falsch berichtet? Sondern: War das System so aufgebaut, dass Steuerpflichten bewusst umgangen wurden?
Dazu kommt ein weiteres Detail: Das Gericht ordnete eine Sicherheitsleistung von rund 33 Millionen Euro an. Gegen diese Verfügung sind Rechtsmittel eingelegt worden. Solche Summen sind nicht nur juristisch brisant, sie werfen auch ein grelles Licht auf die Verflechtungen in Mallorcas Immobilienwelt.
Wer noch in den Fokus rückt
Die Vernehmungen sind auf zwei Tage angesetzt. Zuerst soll Kühn aussagen, danach folgen mehrere namentlich genannte Zeugen — darunter Familienangehörige, Berater und Rechtsanwälte, etwa Jorge Sainz de Baranda. Es handelt sich also nicht um ein Ein-Personen-Verfahren, sondern um ein Netz an Aussagen, Verträgen und Bankbewegungen, die geprüft werden müssen.
Interessant und in der öffentlichen Debatte oft unterbeleuchtet ist die Rolle der Dienstleister: Steuerberater, Treuhänder, Banken. Sie sind nicht nur Randfiguren. Ihre Dokumentation, Prüfungen und Beratungen entscheiden oft, ob eine Konstruktion rechtlich sauber ist oder in eine Grauzone rutscht. Sollte sich herausstellen, dass externe Beratungen Schlupflöcher ermöglichten, würden sich die Fragen auch an die Branche richten.
Was das für Mallorca bedeuten kann
Für die Insel sind solche Verfahren mehr als Klatsch. Mallorca lebt von Bauprojekten, Investitionen und ausländischem Kapital. Wenn nun ein prominenter Investor in steuerrechtliche Ermittlungen gerät, hat das mehrere Effekte: Misstrauen gegenüber Projektfinanzierungen wächst; Ämter und Verwaltungen werden sensibler bei Genehmigungen; und lokale Firmen könnten in Sippenhaft geraten, obwohl sie rechtmäßig arbeiten.
Das zeigt sich in den Gesprächen vor Ort. Eine Frau, die ihren Hund am Passeig ausführt, sagte trocken: „Man hört viel, aber man weiß nichts.“ Genau das ist das Problem: Gerüchte mischen sich mit rechtlich überprüfbaren Fakten. Solange die Justiz keine Klarheit schafft, bleibt ein Schatten auf Projekten und Investitionen.
Die blinden Flecken der Kontrolle
In vielen Fällen sind es nicht nur die Hauptakteure, sondern länderübergreifende Strukturen, die Kontrolle erschweren: komplizierte Holding-Gebilde, Konten in mehreren Jurisdiktionen, und Beratung durch Kanzleien in Steueroasen. Was hier häufig zu kurz kommt, ist die Frage der Verantwortlichkeit — wer prüft die Prüfer? Und wie können lokale Behörden sicherstellen, dass transparente Eigentumsverhältnisse vorliegen, bevor große Bauvorhaben grünes Licht bekommen?
Ein weiterer Punkt: Die Beweisdokumente liegen oft in verschiedenen Rechtsordnungen. Kooperation zwischen spanischen Behörden und Institutionen in Liechtenstein oder anderen Ländern ist zeitaufwendig und politisch sensibel. Das verzögert Aufklärung und schwächt das Vertrauen der Öffentlichkeit.
Konkrete Schritte, die jetzt sinnvoll wären
Das Gericht kann den Fall juristisch klären. Für die Inselgesellschaft reichen die Maßnahmen darüber hinaus. Einige praktikable Vorschläge:
- Mehr Transparenz bei Immobilienkäufen: Pflichtangaben zu wahren wirtschaftlich Berechtigten vor Genehmigungen. Kein Big-Deal ohne klare Eigentümerstruktur.
- Stärkere Nachprüfung durch Vergabestellen: Bei öffentlichen Aufträgen sollten unabhängige Prüfungen und finanzielle Sicherheiten verpflichtend sein.
- Bessere internationale Kooperation: Vereinfachte Informationskanäle zwischen Steuerbehörden könnten Ermittlungen beschleunigen.
- Sensibilisierung lokaler Akteure: Bauunternehmen, Banken und Makler müssen ihre Compliance stärken — nicht nur aus Rechtsgründen, sondern um das Vertrauen der Nachbarschaft zurückzugewinnen.
Ausblick
Die anstehenden Vernehmungen werden zeigen, ob es sich um gravierende Verfehlungen handelt oder um komplexe, aber rechtlich zulässige Konstruktionen. Unabhängig vom Ausgang bleibt die Lehre deutlich: Mallorca braucht mehr Durchsichtigkeit in der Immobilienwelt. Denn am Ende geht es nicht nur um Millionen-Beträge auf Konten, sondern um die Integrität ganzer Projekte, um Arbeitsplätze und darum, wie wir hier auf der Insel miteinander wirtschaften.
Ich werde die Verhandlung verfolgen und weiter berichten, sobald neue Details aus dem Gerichtssaal kommen.
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