Für wen ist Palmas neuer Uferboulevard wirklich gemacht?

Für wen ist Palmas neuer Uferboulevard wirklich gemacht?

👁 6423✍️ Autor: Lucía Ferrer🎨 Karikatur: Esteban Nic

Der neue Paseo Marítimo verändert Palmas Ufer: mehr Platz für Menschen, weniger Autos — doch wer profitiert wirklich? Ein Blick auf Pflege, Nutzung, Zugang und die versteckten Kosten der Umgestaltung.

Für wen wurde Palmas neuer Uferboulevard eigentlich gebaut?

Am Vormittag mit dem Kaffee in der Hand am neuen Paseo Marítimo zu stehen, das Meer leicht düster, eine kühle Brise und die Möwen im Hintergrund — das gibt dem Ort sofort eine andere Stimmung. Gegen 9:00 Uhr war noch nicht viel los. Man hörte das Klirren von Werkzeug, das Rauschen der Brandung und hin und wieder die Stimme von Bauarbeitern an der Mündung des Riera-Bachs. Auffällig ist das Grün: keine sterilen Beete, sondern eine Mischung aus Palmen, wilden Rasenflächen und frisch gesetzten Büschen. Doch die Leitfrage bleibt: Für wen wurde dieser Raum wirklich umgestaltet?

Ein Gewinn für Fußgänger — aber nicht ohne Kollateralschäden

Die Stadt hat rund 40 Millionen Euro in die Hand genommen, der Entwurf stammt von Elías Torres. Breite Fußwege, mehr Bäume, kleine Spielplätze und ein „Mini-Wäldchen“ hinter dem Auditorium sind sichtbar. Autos treten zurück, Menschen gewinnen Raum. Das ist die erklärte Absicht — und sie ist richtig. Aber: Alte Bäume mussten weichen. Für Anwohner, die diese Schatten- und Lärminseln kannten, ist das ein Einschnitt. Junge Setzlinge sind kein sofortiger Ersatz; es dauert Jahre, bis sie ähnliche Kühlwirkung und Artenvielfalt bieten. Hier zeigt sich ein Widerspruch zwischen schnellem sichtbaren Umbau und langfristiger ökologischer Kontinuität.

Was kaum in der Diskussion auftaucht: die Pflegefrage

Im Moment liegen Bewässerungsschläuche offen, provisorische Rohre durchziehen Beete und Rasenflächen. Das funktioniert offenbar — aber ist es die finale Lösung? Unterirdische Tröpfchenbewässerung wäre zwar teurer in der Anlage, spart aber langfristig Wasser und verringert die Störung des Stadtbilds. Die Wahl der Pflanzen ist ein zweiter, vernachlässigter Punkt. Viele Mallorquiner wünschen sich robuste, einheimische Arten, die salz- und dürreverträglich sind. Wird die Pflege dem Rechnung tragen oder wird in ein paar heißen Sommern das Grün gelb und braun werden? Wer zahlt dann die Nachpflanzungen — Stadt, Hafenbehörde oder private Betreiber?

Zwischen Kommerz und Gemeinschaft: Wer bekommt die Flächen?

Das Eröffnungswochenende ist geplant, mit einem zehn-Kilometer-Lauf durch sonst gesperrte Hafenbereiche und vielen Sportangeboten. Händlerstände sind auf Plätzen wie der Plaza Santo Domingo de la Calzada angekündigt. Kommerz kann lebendige Plätze erzeugen. Er kann aber auch zur Überbelegung und zu einer schleichenden Privatisierung führen, wenn Konzessionen ohne klare Kriterien vergeben werden. Die Stadt sollte Vergaberegeln mit Priorität für lokale Anbieter, kulturelle Initiativen und soziale Projekte festlegen — sonst droht die Promenade als Bühne für touristische Schnellschüsse zu enden statt als urbaner Treffpunkt für Bewohnerinnen und Bewohner.

Logistik, Erreichbarkeit und soziale Folgen

Der neue Paseo entschleunigt: matte schwarze Ampeln, breitere Wege und neue Bushaltestellen prägen das Bild. Doch an den Rändern, etwa beim deutschen Konsulat oder nahe der Avenida Argentina, wird noch gearbeitet. Lieferverkehr, Anwohnerzufahrten und Rettungswege sind keine Nebensächlichkeiten. Die Frage, wie Restaurants und Geschäfte künftig beliefert werden, ist zentral. Ohne klare Regeln für Ladezonen und Zeitfenster entsteht ein Flickenteppich, der Anwohner belastet und den Verkehr an anderen Stellen verstärkt. Gleiches gilt für Barrierefreiheit: Rampen und taktile Leitsysteme müssen nicht nur geplant, sondern auch regelmäßig gewartet werden.

Die unsichtbaren Kosten: Pflege, Sicherheit und Monitoring

Was in städtischen Debatten oft fehlt, sind die laufenden Kosten. Wer zahlt die Bewässerung, die Baumpflege, die Reinigung und die Sicherheit? Ein attraktiver Boulevard zieht mehr Besucher an — das ist Ziel, kann aber auch höhere Ausgaben für Reinigung und Instandhaltung bedeuten. Gleichzeitig braucht es Monitoring: Zähler für Fußgängerströme, Pflegezustand der Vegetation und Lärmpegel würden helfen, Probleme früh zu erkennen. Solche Daten sind kein Luxus; sie sind Grundlage für eine nachhaltige Betriebsführung.

Konkrete Vorschläge: Wie Palma den Paseo zukunftsfest macht

Die Bauarbeiten sind fast beendet — jetzt beginnt die eigentliche Herausforderung. Einige pragmatische Schritte könnten den Erfolg sichern und typische Fallstricke vermeiden:

1. Unterirdische Bewässerung: Umstellung auf Tröpfchenbewässerung und Versenken der Hauptleitungen, damit weniger sichtbar gewartet werden muss und Wasser gespart wird.

2. Pflege- und Biodiversitätsplan: Ein verbindlicher Pflegeplan mit Schwerpunkt auf einheimischen, salz- und trockenheitsresistenten Arten; regelmäßige Inventuren und ein Budget für Nachpflanzungen.

3. Transparente Konzessionsregeln: Klare Vergabekriterien für Marktstände und Gastronomie, mit Quoten für lokale Anbieter und kulturelle Initiativen.

4. Temporärnutzungen und Kulturprogramme: Flexible Flächen für Pop-up-Kunst, lokale Vereine und Nachbarschaftsaktionen — das schafft Identität und verhindert Einseitigkeit.

5. Lieferlogistik und Barrierefreiheit: Zeitfenster für Lieferungen, ausgewiesene Ladezonen und checklistenbasierte Wartung von Rampen und Leitsystemen.

6. Monitoring und Partizipation: Sensoren für Besucherströme und regelmäßige Bürgersprechstunden, damit Probleme früh sichtbar und die Nutzerinnen beteiligt bleiben.

Fazit: Schön, aber noch kein fertiges Rezept

Der neue Uferboulevard fühlt sich heute entschleunigt an. Morgens sind Jogger, Rentnerinnen mit Hunde und Familien unterwegs. Die hängenden Gärten am Club de Mar laden zum Blick nach oben ein. Doch Schönheit allein macht noch keine nachhaltige Stadt. Entscheidend wird, wie achtsam die Pflege gestaltet, wie transparent Konzessionen vergeben und wie inklusiv der Raum genutzt wird. Gelingt das, hat Palma ein dauerhaftes Gewinnstück. Gelingt es nicht, könnte das Grün schneller verblassen, als die Bauarbeiter die letzten Schläuche einrollen — und der Paseo bleibt ein schönes Foto, aber keine lebendige Promenade für alle.

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