Paseo Marítimo: 40 Millionen, aber keine Alltagstauglichkeit?

Paseo Marítimo: Viel Geld, wenig Alltagstauglichkeit

👁 15243✍️ Autor: Adriàn Montalbán🎨 Karikatur: Esteban Nic

Trotz einer 40-Millionen-Sanierung klagen Anwohner über Müll, nächtliche Ruhestörung und fehlende Infrastruktur am Paseo Marítimo in Palma. Warum die neuen Laternen die Lebensqualität nicht sichern — und was jetzt konkret getan werden sollte.

Paseo Marítimo: Schöner Schein, rauer Alltag

Am frühen Morgen, wenn die Lieferwagen noch die letzten Cafés beliefern und die Möwen über den Yachten kreischen, macht der Paseo Marítimo einen aufgeräumten Eindruck: neue Platten, moderne Bänke, ordentliche Lampen. Zwei Stunden später weht der rauhe Alltag wieder heran. Leere Bierdosen klimpern im Wind, Papierschnipsel fliegen über die Promenade und an manchen Hauseingängen hängt der Geruch von Urin in der Luft. Für Menschen, die hier wohnen, ist das kein ästhetisches Problem — es betrifft Fenster kippen, täglich in Ruhe frühstücken und abends ohne Tritt in Glasscherben nach Hause kommen.

Die zentrale Frage: Wo blieb die Wirkung der Millionen?

40 Millionen Euro flossen in die Umgestaltung der Hafenfront, offiziell, um die Promenade aufzuwerten und Aufenthaltsqualität zu schaffen. Doch wenn hohe Summen in Pflaster und Design fließen, zeigt sich oft erst später, ob wirklich an den Alltag gedacht wurde. Haben Planer und Politik bei der Ausschreibung auch Betrieb, Reinigung und Durchsetzung bedacht? Oder wurde das Projekt eher als einmalige Investition gerechnet — hübsch auf Fotos, aber ohne langfristiges Konzept? Das zeigt sich auch in den Anwohnerprotesten.

Was die Anwohner sagen

Stimmen aus der Avenida Gabriel Roca sind gereizt. „Man kann sein Fenster kaum offenlassen,“ sagt ein Anwohner, der seit Jahren hier lebt. Andere berichten von nächtlichen Trinkgelagen auf Bänken und Treppen, von Glasflaschen und Möbelstücken, die morgens auf dem Gehweg liegen, und von Gästen, die scheinbar keine öffentlichen Toiletten finden und dann Hauseingänge nutzen. Ein Cafetier an der Ecke zur Marina fasst es schlicht zusammen: „Wenn ein paar Gruppen jede Nacht alles hinterlassen, bleibt ein schlechter Eindruck – auch für zahlende Gäste.“ Diese Probleme sind oft wiederkehrend.

Ein Blick hinter die Kulissen: Wo hakt es?

Mehrere Faktoren spielen zusammen. Zunächst fehlt offenbar ein klarer Betriebsplan: Wer sorgt nachts für Reinigung, wer greift durch, wenn Gruppen randalieren? Zuständigkeiten zwischen Stadt, Hafenbehörde und Lokalbetreibern sind oft weniger sichtbar als neue Laternen. Dann die Infrastruktur: Öffentliche Toiletten sind rar, Mülleimer zu wenige und schlecht verteilt. Reinigung ist kein einmaliger Aufwand, sondern ein laufender Posten — und der kostet. Nicht zuletzt spielt die Durchsetzung eine Rolle. Bußgelder und Kontrollen wirken nur, wenn sie regelmäßig erfolgen und nicht nur als Symbolmaßnahme.

Aspekte, die bislang zu wenig beachtet werden

In der öffentlichen Debatte tauchen drei Punkte selten auf: erstens das Management nach der Bauphase — viele Projekte bleiben nach der Eröffnung ohne festen Betriebsvertrag. Zweitens die soziale Nutzung des Raumes: Eine Promenade ist kein Museum, sie wird nachts von unterschiedlichen Gruppen genutzt. Drittens die ökonomischen Anreize: Manche Betriebe profitieren von später Öffnungszeit und lockeren Kontrollen; ohne klare Regeln bleibt die Balance gestört. Besonders die Parkplatzsituation verschärft die Problematik.

Konkrete Vorschläge von Anwohnern und Expertinnen

Die Forderungen sind praktisch und unprätentiös: häufigerere Reinigungsfahrten in den frühen Morgenstunden, mehr Abfallbehälter entlang der Promenade, temporäre zusätzliche öffentliche Toiletten an Wochenenden und in Sommernächten. Viele plädieren außerdem für eine bessere Koordination zwischen Polizei, Stadtverwaltung und Geschäftsleuten — etwa eine gemeinsame Nachtpatrouille oder einen schnellen Meldemechanismus für Anwohner über eine Hotline oder App.

Auf der rechtlichen Ebene schlagen Anwohner strengere Kontrollen und konsequente Sanktionen gegen Betriebe vor, die durch überlautes Ausschankverhalten oder freizügige Öffnungszeiten Probleme verursachen. Zusammendenken heißt hier: Bau plus Betrieb plus Kontrolle.

Weniger Kontrollwahn, mehr durchdachte Gestaltung

Manche Vorschläge klingen drastisch — temporäres Absperren bestimmter Abschnitte nachts oder mehr Überwachungskameras —, andere überraschend niedrigschwellig: mehr Bänke an strategischen Stellen, um Gruppen zu streuen; niedrigere Mauern und Pflanzinseln, die das Sitzen natürlicher lenken; bessere Beleuchtung an Treppen, ohne gleich ein Gefühl von Polizeistaat zu erzeugen. Wichtig ist das Prinzip: Infrastrukturänderungen sollten Nutzerverhalten lenken statt es nur zu bestrafen.

Langfristig denken: Ein Nutzungskonzept für den Paseo

Langfristig fordern viele ein umfassendes Nutzungskonzept, das natives Wohnen, Gewerbe und Tourismus zusammendenkt. Das heißt konkret: Regeln für Öffnungszeiten, Lärmpegel, Sauberkeitspflichten für Veranstalter, einen eingearbeiteten Wartungsfonds für Reinigung und Sicherheit sowie eine dauerhafte Anwohnervertretung, die bei Planungen mitentscheidet. Solche Modelle gibt es anderswo auf der Insel — und sie funktionieren, wenn sie ernsthaft umgesetzt werden.

Fazit

Wer den Paseo Marítimo liebt, ist enttäuscht. Die neuen Laternen und das hübsche Pflaster sind nur die halbe Miete. Es braucht einen Plan für den Alltag: mehr Reinigung, klare Zuständigkeiten, öffentliche Toiletten und eine bessere Abstimmung zwischen Behörden und Geschäftsleuten. Geld in Projekte zu stecken ist wichtig. Noch wichtiger ist, es so auszugeben, dass Menschen hier auch nachts mit Ruhe und Würde leben können — nicht nur Postkartenmotiven wegen.

Die Stadt steht in der Verantwortung: Investitionen müssen von Betriebs- und Durchsetzungsstrategien begleitet werden. Sonst bleiben Millionen Euro bloß gute Fotos für Broschüren.

Ähnliche Nachrichten