In Sóller regt sich Protest: Betreiber von Ferienwohnungen kritisieren eine geplante Müllgebühr‑Erhöhung von 259 auf 388 Euro. Eine neu gegründete Asociación fordert Transparenz, rechtliche Prüfung und Alternativmodelle — die Debatte könnte den Ort und seine Arbeitsplätze verändern.
Sóller: Protest mit Mélange, Meeresbrise und vieler Fragen
Auf der Plaça de la Constitució, wo die Kirchenglocken regelmäßig die Stunden zeichnen und der Duft von feuchtem Kaffee in den Gassen hängt, dreht sich das Gespräch um eine Zahl. 259 Euro — das ist die derzeitige Jahresgebühr für Ferienwohnungen. 388 Euro — so hoch soll sie ab 2026 steigen. Ein Sprung um rund 50 Prozent, der unter Vermieterinnen und kleinen Agenturen in Sóller wie ein kalter Wind durch die Orangenbäume pfeift.
Neu formiert: Asociación ETV Sóller
Fast 600 Betreiber haben sich zusammengeschlossen und nennen sich Asociación ETV Sóller. "Wir haben die Faxen dicke, jeder allein an der Tür klopfen zu müssen", sagt ein Sprecher, zurückhaltend und mit Blick auf die Plaza. Die Gruppe will zunächst das Gespräch mit dem Rathaus, bereitet parallel juristische Schritte und eine genauere Prüfung der Beschlüsse vor. Es ist kein wilder Aufruhr, eher die nüchterne Organisation einer Gruppe, die plötzlich merkt: Die Rechnung kann unser gesamtes Modell treffen.
Die Leitfrage: gerecht oder beliebig verteilt?
Was hier fehlt, ist nicht nur Empörung, sondern vor allem Nachvollziehbarkeit. Betreiber fragen: Welche Kosten sind genau gestiegen? Wie wurden die Zahlen errechnet? Auf dem Markt, in kleinen Cafés und in der engen Carrer de sa Lluna hört man dasselbe: Wenn die Gemeinde die Entsorgung verteuert, warum trifft es ausgerechnet die Ferienunterkünfte härter als andere Gebührenzahler?
Was die Gemeinde sagt — und warum das viele nicht überzeugt
Aus dem Rathaus kommt die übliche Argumentation: gestiegene Entsorgungs- und Recyclingkosten, langfristige Tragfähigkeit des Systems. Sachlich und korrekt. Doch allein mit dieser Formel lassen sich kaum Existenzen erklären. Viele Vermieter beschäftigen lokale Reinigungskräfte, Gärtner, Handwerker — Menschen, die von der Nebensaison leben. "Wir bringen Leben in die ruhigen Monate", sagt eine Vermieterin, deren Stimme beim Espresso beinahe verschluckt wird. Steigende Kosten könnten Preise erhöhen, Nachfrage drücken und damit Arbeitsplätze gefährden.
Ein unterschätzter Punkt: Müllgebühren als Steuerungsinstrument
Wenig beachtet wird in der öffentlichen Diskussion: Gebühren steuern Verhalten. Sie senden Signale darüber, was eine Gemeinde priorisiert. Pauschale Erhöhungen sind eine grobe Keule; sie treffen gleichermaßen den Kleinstvermieter wie die große Agentur. Stattdessen ließe sich über differenzierte Modelle nachdenken, die an Nutzung, Objektgröße oder belegungsabhängigen Faktoren ansetzen.
Transparenzdefizit
Konkrete Kostenaufstellungen fehlen bislang. Welche Kostenpositionen entfalten die größte Wirkung — Sammlung, Transport, Sortierung, Recycling oder Verwaltung? Wie sind saisonale Schwankungen berücksichtigt? Ohne diese Zahlen bleibt die Debatte diffus. In Sóller, wo auf dem Sonntagsmarkt jede Rechnung dreimal umgedreht wird, wirkt ein Mangel an Offenlegung wie schlechte Manieren: Man kommt nicht zur Tür herein, ohne sich vorzustellen.
Wen die Erhöhung besonders trifft
Betroffen sind vor allem kleinere Anbieter und Eigentümer mit mehreren, aber nicht gewinnträchtigen Objekten. Für große Vermittler mag ein Prozentpunkt weniger relevant sein; für eine Einzelperson mit zwei Apartments kann die Anpassung bereits die Kalkulation für ein Jahr durcheinanderbringen. Das Risiko: Verdrängung authentischer Angebote, weniger Vielfalt in der Unterkunftslandschaft und ein Stück weit Entleerung des ganz normalen Lebens zwischen den Touristenströmen.
Konkrete Alternativen — pragmatische Schritte
Die Diskussion bringt auch Vorschläge hervor, die über bloße Gegenwehr hinausgehen. Einige sind einfach, andere erfordern Mut und Verwaltungskraft:
1. Phasenweise Anpassung — statt eines harten Sprungs eine gestaffelte Erhöhung über zwei bis drei Jahre, gekoppelt an regelmäßige Kostenberichte.
2. Belegungsabhängiges Modell — die Gebühr orientiert sich an der tatsächlichen Nutzung: Gästezahlen, Aufenthaltsdauer, saisonale Belegung. Fairer für kleine Betreiber, lenkt Verbrauch und Müllproduktion besser.
3. Staffel nach Objektgröße — kleinere Apartments, die weniger Abfall produzieren, zahlen weniger als große Villen.
4. Investitionen in Vermeidung und Recycling — Zuschüsse für lokale Initiativen, bessere Sammelstellen, Kompostmöglichkeiten: Vorbeugen kostet weniger als Heilen.
5. Externe Prüfung — ein unabhängiges Gutachten könnte die Zahlen überprüfen und das Vertrauen wiederherstellen.
Bürgerbeteiligung statt Hinterzimmerpolitik
Die Asociación hat Gespräche mit dem Rathaus angekündigt und will Anfang November eine Bürgerversammlung. Gute Idee — aber eine Versammlung allein reicht nicht. Transparente Unterlagen, verständliche Erläuterungen und echte Mitbestimmung sind nötig, damit die Debatte nicht im üblichen Lokalrätel endet. Sóller ist klein genug, dass man sich kennt; das macht Entscheidungen persönlich und die Folgen unmittelbar spürbar.
Was auf dem Spiel steht
Bleibt die Politik stur, droht rechtliche Auseinandersetzung. Noch gravierender wäre das langsame Ausdünnen des Angebots an authentischen Unterkünften. Weniger private Vermieter heißt: mehr professionelle Investoren, höhere Preise, weniger Nebensaison‑Belebung — und damit weniger Einkommen für Reinigungskräfte, Handwerker und kleine Läden. Kurzsichtig für einen Ort, dessen Alltagsrhythmus vom Zusammenspiel von Bewohnern und Gästen lebt.
Ausblick
Die Konfrontation in Sóller macht eines deutlich: Es geht nicht nur um Euros auf einem Blatt, sondern um Transparenz, Gerechtigkeit und um die Frage, wie ein Ort mit Tourismus lebt. Wenn die Gemeinde jetzt offenlegt, erklärt und differenziert, kann Sóller Modell stehen: für nachvollziehbare Gebührenpolitik, die sowohl Klimaschutz als auch lokale Wirtschaftlichkeit fördert. Wenn nicht, werden die Gespräche auf der Plaza zunehmend lauter — und die Rechnung irgendwann vielleicht unbequemer als ein nasser Morgenkaffee.
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