Mallorca-Umfrage: Einheimische fordern Grenzen beim Massentourismus

Die Insel sagt nein zum Überlauf: Was die Umfrage wirklich bedeutet

👁 7834✍️ Autor: Ricardo Ortega Pujol🎨 Karikatur: Esteban Nic

Eine neue Umfrage zeigt: Drei von vier Mallorquinern finden die Besucherzahlen zu hoch. Es geht nicht um Abschottung, sondern um Regeln – von Mietwagenbegrenzung bis Ökosteuer. Ein Plan, wie die Insel Alltag und Tourismus wieder in Einklang bringt.

Die Leitfrage: Wie viel Tourismus verträgt Mallorca noch?

Letzte Woche lag die Umfrage auf meinem Schreibtisch, der Kaffee in der Bar am Plaça de Cort wurde langsam kalt, und rundherum hörte ich dieselben Sorgen: Der Paseo am Morgen ist voller Leihwagen, der Markt in Santa Catalina dröhnt, und an einigen Stränden fühlt es sich weniger nach Ferienparadies als nach Warteschlange an. Die Zahlen bestätigen, was die Leute zwischen Bäckerei und Apotheke geflüstert haben – etwa 75,6 % der Befragten meinen, es kämen zu viele Menschen auf die Insel.

Die Frage ist nicht mehr, ob das Problem existiert. Die zentrale Frage lautet: Wie steuern wir Besucherströme, ohne die ökonomische Basis der Insel zu zerstören?

Was die Leute konkret wollen

Die Antworten sind konkret: Begrenzungen für Tagesbesucher (69,1 %), weniger Kreuzfahrten (69,2 %), deutlich weniger Mietwagen (79,6 %) und schärfere Regeln für Ferienwohnungen (80,5 %). In Palma klagt man über schmale Gassen, wild parkende Leihwagen und Lieferverkehr, der sich seinen Weg durch Fußgängerzonen bahnt. Am Hafen erzählen Fischer von Bootsliegeplätzen, die von Ausflugsanbietern blockiert sind. Diese Alltagsszenen erklären die Zahlen besser als jede Statistik.

Was oft zu kurz kommt

In der öffentlichen Debatte fehlt mir häufig ein Blick auf die Durchsetzung und auf Kaskadeneffekte. Zum Beispiel: Eine Begrenzung von Ferienwohnungen klingt gut — aber wie verhindert man, dass sich Vermieter ins Hinterland verlagern oder Wohnungen ganz vom Markt verschwinden und die Mietpreise weiter steigen? Oder: Wer entscheidet, welche Strände limitiert werden und wer kontrolliert Zugänge? Bürokratische Lücken und mangelnde Kapazitäten bei Kontrollen sind hier oft der Flaschenhals.

Wenig diskutiert wird auch die Qualität der Jobs im Tourismussektor. Ja, 86 % sehen Tourismus als Einkommenstreiber, 74 % nennen Arbeitsplätze. Aber wie viele dieser Jobs sind saisonal, prekär oder schlecht bezahlt? Eine bloße Reduktion der Gäste würde Arbeitsplätze gefährden, wenn nicht parallel in Qualifizierung und Saisonverlängerung investiert wird.

Konkrete Hebel — pragmatisch gedacht

Die Umfrage nennt erste Handlungsfelder, die Politik und Branche nicht ignorieren sollten. Einige pragmatische Vorschläge:

1. Kapazitätsmanagement statt Pauschalverbot
Pilotprojekte für tagesbesucherbasierte Kontingente an sensiblen Orten. Digitale Reservierungen für populäre Strände oder Spazierwege könnten Frequenzen glätten. Das tut nicht weh wie ein pauschales Einreiseverbot, schafft aber Steuerbarkeit.

2. Mobilität neu denken
Weniger Mietwagen heißt nicht automatisch weniger Mobilität. Ausbau von S-Bahn-ähnlichen Verbindungen, Taktverdichtung in der Hauptsaison, Ladestationen für E-Shuttles und Park&Ride-Lösungen am Stadtrand würden Autoverkehr reduzieren und die Stadträume entlasten. Weitere Informationen zu Möglichkeiten der Verkehrsberuhigung finden Sie in unserem Artikel über Mietwagen-Obergrenze.

3. Ferienwohnungsregulierung mit sozialer Komponente
Strengere Lizenzen, aber mit Auflagen: Rücklagen für Instandhaltung, Mindestaufenthaltsdauer, und Quoten für langfristige Vermietung an Einheimische. Einnahmen aus Verwarngebühren könnten direkt in bezahlbaren Wohnraum fließen.

4. Ökosteuer dynamisch einsetzen
Eine höhere Ökosteuer wird von 67,6 % befürwortet — sinnvoll, wenn sie zweckgebunden und flexibel ist: höhere Abgaben an Orten mit hoher Belastung, niedrigere in strukturschwachen Regionen, saisonale Differenzierung. Weitere Aspekte zur Ökosteuer-Debatte sind in unserem Artikel über Ökosteuer-Debatte nachzulesen.

5. Kreuzfahrten und Hafenmanagement
Bessere Zeitplanung der Anläufe, Limits pro Tag und Anreize für längere Aufenthalte statt Kurzbesuche könnten die Belastung am Hafen mindern und den Umsatz je Gast erhöhen. Auch die Planungen zur Besucherbegrenzung haben einen Einfluss auf dieses Thema.

Chancen statt Verbotspanik

Wer beschränkt, schafft auch Raum für Neues. Eine gezielte Entzerrung der Saison würde die Qualität für Gäste verbessern und die Arbeit planbarer machen. Investitionen in Kultur-, Bildungs- und Naturangebote außerhalb der Hochsaison bringen Besucher länger und verteilen positiven Effekt in der Region.

Und: Das Image einer Insel, die auf Qualität statt auf Quantität setzt, könnte einen neuen, wertschöpfungsstärkeren Markt anziehen — weniger Partyboote, mehr Kultur- und Aktivtouristen. Das klingt fast zu schön, ist aber kein Traum: Schon heute öffnen wenige nachhaltige Projekte Türen in Nachbarmärkte.

Was jetzt zu tun ist

Es braucht einen Fahrplan mit Testläufen, klaren Kennzahlen und Beteiligung vor Ort. Eine zentrale Beobachtungsstelle für Besucherdaten, koordinierte Maßnahmen über Gemeinden hinweg und transparente Mittelverwendung der Ökosteuer würden Vertrauen schaffen. Wichtig ist auch, die Betroffenen — Vermieter, Hoteliers, Busfahrer, Fischer, Anwohner — mitzunehmen. Ohne sie bleiben Maßnahmen theoretisch.

Die Stimmung auf dem Paseo, in der Bar am Plaça und am Markt in Santa Catalina ist deutlicher geworden: Nicht gegen Gäste, sondern für einen Alltag, der noch Platz lässt. Wer das ernst nimmt, muss jetzt klug regeln, statt reflexhaft zu verbieten. Das ist die Aufgabe der nächsten Jahre. Und für den Rest: Am besten schon mal die Parkscheibe mit einem Lächeln zurückdrehen, bevor der nächste Leihwagen um die Ecke biegt.

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