Fast 6,5 Tonnen Abfall wurden im Juli aus dem Wasser vor den Balearen gefischt — mehr als die Hälfte rund um Mallorca. Ein Augenzeugenbericht, Analyse: Warum die Einsätze nicht ausreichen und welche Lösungen jetzt nötig sind.
6,5 Tonnen Müll im Juli — und die Frage bleibt: Reichen Aufräumaktionen allein?
Wenn am Morgen der Geruch von Meer und frischen Croissants über dem Passeig des Born hängt, denkt kaum jemand an Reifen und Plastikeimer, die irgendwo draußen treiben. Trotzdem zog die Bilanz der Balearenregierung für Juli knapp 6,5 Tonnen Abfall aus dem Meer — und Mallorca war mit etwa 3,6 Tonnen am stärksten betroffen.
Ein Morgen auf See: Cala Blava und die kleine Sammlung großer Probleme
Letzte Woche bin ich mit einer kleinen Crew vor Cala Blava gefahren. Das Boot ruckte, Möwen kreisten, und der Wind brachte Salz in die Haare. Von weitem sah das Wasser klar aus. Bis wir an einer treibenden Ansammlung hängenblieben: Styropor, Flaschen, ein zusammengeknotetes Fischernetz. In einer Stunde sammelten wir eine Ladung, die auf den ersten Blick harmlos wirkte — bis man das Gesamtbild bedenkt.
Die Fundliste ist bekannt und deprimierend: alte Autoreifen, Plastikeimer, Netzreste, größere Holzstücke. Behörden sprechen von knapp halb so viel Plastik am Gesamtaufkommen. Das ist die sichtbare Seite. Die weniger sichtbare: Mikroplastik, beschädigte Meeresböden durch versunkene Netze, und die wirtschaftlichen Kosten für Fischer und Tourismusanbieter.
Die zentrale Frage: Warum wird es nicht weniger?
Diese Entwicklung wirft eine einfache, aber drängende Frage auf: Warum reduziert sich der Müll trotz regelmäßiger Einsätze nicht? Die kurze Antwort ist: weil Aufräumen nur die Symptome behandelt. Tiefer liegende Ursachen bleiben meist außen vor — und das macht das Problem hartnäckig.
Zu den wenig beleuchteten Ursachen gehören:
1. Verlust von Fischereigerät: Alte oder verlorene Netze und Leinen treiben oft über Jahre und reißen weitere Ausrüstung mit sich. Sie gelten als „Geisternetze“ und schädigen Tiere und Grund.
2. Illegale Entsorgung und mangelnde Hafeninfrastruktur: Nicht alle Marinas verfügen über einfache, kostenfreie Entsorgungsangebote für Bootsmüll. Wer auf See entsorgt, bleibt selten sichtbar — außer in der Müllbilanz.
3. Wetter und Strömungen: Starkwinde, Schwell nach Wochen mit Bootsverkehr und Regenabflüsse von der Insel schicken Flaschen, Verpackungen und Treibstoffreste ins Meer. Besonders nach Stürmen landen große Mengen an ungeordnetem Material an ungewöhnlichen Stellen.
Was oft zu kurz kommt — und warum das wichtig ist
In der öffentlichen Debatte dominieren die Bilder von freiwilligen Teams, die Säcke voller Flaschen an den Strand schleppen. Das ist wichtig und löblich. Was aber zu kurz kommt, sind folgende Aspekte: die Kosten für professionelle Bergung, die rechtliche Verfolgung von Verursachern, sowie die langfristige Belastung von Lebensräumen. Und ja: Die Bergung selbst kann gefährlich sein, wenn Treibstoff oder chemische Rückstände im Spiel sind — ein Problem, das im Juli bei Sondereinsätzen sichtbar wurde.
Eine positive Szene gab es trotzdem: Bei einem Einsatz wurde eine verirrte Meeresschildkröte gerettet. Solche Momente erinnern daran, warum die Arbeit notwendig ist — und emotional verbinden sie die Menschen mit dem Meer.
Konkrete Chancen: Was jetzt helfen könnte
Die gute Nachricht: Es gibt handfeste Maßnahmen, die mehr bringen als neue Putzkolonnen. Einige Vorschläge, die lokal schnell Wirkung zeigen könnten:
- Bessere Hafenangebote: Kostenfreie, leicht erreichbare Entsorgungsstellen für Bootsmüll in allen Marinas — inklusive getrennten Sammelstellen für Netze.
- Anreize für Rückgabe: Programme, die Fischer für die Rückgabe alter Netze und Leinen finanziell oder materiell belohnen.
- Aufrüstung der Überwachung: Mehr Kontrollen auf See und stärkeres Monitoring nach Starkwinden, gekoppelt mit klaren Bußgeldern bei nachgewiesener illegaler Entsorgung.
- Prävention an Land: Verbesserte Regenwasser- und Straßenabfluss-Systeme, damit weniger Müll vom Land ins Meer gespült wird.
- Vernetzung von Ehrenamt und Profis: Mobile Teams, die Schulungen, Ausrüstung und Logistik für Freiwillige bereitstellen — so werden Einsätze sicherer und nachhaltiger.
Was jeder von uns tun kann
Die Paradeempfehlung ist keine Überraschung: Jeder Müllsack hilft. Aber konkreter: Wer am Strand ist, nimmt mehr als nur den eigenen Abfall mit. Bootsfahrer planen Entsorgung vor der Fahrt. Restaurants und Kioske an der Küste reduzieren Einwegverpackungen und bieten Alternativen an. Und Lokalpolitiker investieren gezielt in Hafeninfrastruktur — das ist kein Luxus, sondern Prävention.
Der Klang der Wellen, das Hupen entfernter Boote und der Duft von Kaffee am Morgen sollen nicht länger das schlechte Gefühl begleiten, beim Abspülen der Strandliege Plastikteile auszumachen. Wenn die Inselgemeinschaft jetzt anpackt — mit klarer Strategie statt nur Handschuhen und Müllsäcken — können wir dafür sorgen, dass die Buchten auf Dauer sauberer werden. Und die Schildkröten, die wir retten, danken es uns sowieso.
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