Bei Sonnenaufgang verlässt ein Palmanova‑Koch seine Küche, nicht um zu servieren, sondern um mit Flosse und Schnorchel Müll aus dem Meer zu holen. Seine Funde reichen von Handyhüllen bis zu einer Schusswaffe. Doch kann ein Einzelner wirklich etwas ändern?
Ein Koch zwischen Herd und Meer
Wenn um 7:30 Uhr an der Küste noch der Duft von heißem Kaffee über den Cafés liegt und die Fischer ihre Netze prüfen, zieht Kamil seinen alten Neoprenanzug an. Die Leute in Palmanova nennen ihn nur "Kamilo". Tagsüber steht er im kleinen Max Garden am Herd und serviert Tacos und Wok‑Gerichte. Frühmorgens aber wird aus dem Koch ein Freediver: mit Maske, Schnorchel und einer kleinen Boje auf dem Wasser.
Eine Frage, die bleibt
Kann ein Einzelner etwas bewirken gegen den wachsenden Meeresmüll auf Mallorca? Das ist die zentrale Frage, die bei ihm am Bug steht, während Möwen schreien und Fischerboote in die Bucht tuckern. Kamil taucht ohne Flasche, manchmal bis 30 Meter tief. "Ich halte etwa eine Minute bis eineinhalb unter Wasser", sagt er und nippt an der Thermoskanne mit Tee. Vorsichtig sei er immer. Alleinsein unter Wasser hat eine besondere Stille, aber auch Risiko.
Mehr als leere Dosen
In sieben Jahren hat er, nach eigener Schätzung, rund 3.000 Kilo Unrat aus Sand und Seegrasfeldern gezogen. Vieles ist banal: Plastikteile, Dosen, alte Angelschnur. Doch immer wieder kommen überraschende Funde hoch – Apple‑Watches, iPhones, Bargeld in einer Plastiktüte, sogar eine alte Schusswaffe, die er der Guardia Civil übergab. Ein Oktopus, der in einer Dose zuhause geworden war, blieb ihm besonders im Gedächtnis.
Was hier auffällt: Die Geschichte endet nicht unter Wasser. Kamil macht Fotos, filmt seine Tauchgänge und nutzt lokale Facebook‑Gruppen, um Eigentümer ausfindig zu machen. Über hundert Gegenstände hat er so zurückgebracht. Das ist ein kleiner, aber bemerkenswerter Service, der zeigt, wie vernetzt die Insel auch offline ist.
Die leisen Kosten
Materiell hat das Aufräumen wenig eingebracht. Seine Belohnung ist wild, klein und oft immateriell: ein Seepferdchen im Seegras, ein vorbeiziehender Rochen, das Gefühl, etwas zurückzugeben. Rechtlich ist sein Tun in Ordnung – er hat einen Freediving‑Kurs (Level One) absolviert – doch die Belastung wächst: mehr Müll, weniger saubere Stellen, mehr Gefahren wie verfangene Angelschnüre.
Was oft übersehen wird
In der öffentlichen Diskussion dominieren oft große Aktionen und Fotos von Haufenplastik. Weniger beachtet bleibt, wie viel Arbeit unterhalb der Wasserlinie stattfindet: die Bergung von verlorenen privaten Gegenständen, die sichere Handhabung potentiell gefährlicher Funde und die informelle Rückgabe an Besitzer. Ebenso unterschätzt wird der Beitrag von Menschen wie Kamil, die mit minimaler Ausrüstung viel erreichen – und dabei gesundheitliche Risiken und Zeit investieren, die sie nicht bezahlt bekommen.
Konkrete Chancen — und einfache Ansätze
Es geht nicht nur um individuelle Helden. Die Insel könnte Kleines tun, das große Wirkung zeigt:
1. Ausrüstung fördern: Zuschüsse oder Leih‑Flossen und Signalkörper für lokale Taucherinnen und Taucher. Carbon‑Flossen, sagt Kamil, wären ein Traum.
2. Offizielle Vernetzung: Ein digitales Melde‑ und Rückgabesystem für gefundene Gegenstände, das Gemeinden, Tauchende und Eigentümer verbindet.
3. Klima der Mitverantwortung: Mehr strandnahe Sammelstellen für Angelschnur und Fischernetze, Kooperationen mit Angelvereinen und Bootsbetreibern.
4. Sicherheit und Training: Kostenlose oder geförderte Freediving‑ und Sicherheitskurse, damit Ehrenamtliche nicht allein gelassen werden.
5. Prävention: Informationskampagnen in Hotels, bei Vermietern und Bootsverleihern darüber, wie man Müll vermeidet und verlorene Gegenstände sichert. Mehr dazu können Sie in diesem Artikel nachlesen.
Ein Blick nach vorn
Am Ende unseres Gesprächs schaut Kamil noch einmal aufs Wasser. Die Boje schaukelt. Draußen liegt Arbeit, Ärger und auch Schönheit. Er schickt Nachrichten an Besitzer, füllt einen Sack mit Plastik, trinkt seinen Tee und lacht leise: "Ich will etwas zurückgeben. Die Insel hat mir ein Zuhause gegeben."
Die Insel braucht mehr als Anerkennung. Sie braucht Strukturen, die aus Einzelkämpfern ein Netzwerk machen können. Dann wäre die Frage, ob ein Einzelner etwas ändern kann, nicht mehr nur eine Frage, sondern ein Plan. Immerhin hat die Reinigungsflotte von Mallorca im Jahr 2025 bereits fast 37 Tonnen Müll gesammelt.
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