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Nach elf Jahren an der Spitze: Der Reiseverbands-Chef über Mallorca, Proteste und Preisdruck

Nach elf Jahren an der Spitze: Der Reiseverbands-Chef über Mallorca, Proteste und Preisdruck

12.08.2025
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Der langjährige Präsident des deutschen Reiseverbands zieht Bilanz: Proteste gegen Touristen, steigende Preise und die anhaltende Reiselust der Deutschen stehen im Fokus.

Wenn der Branchenchef spricht: nüchtern, aber nicht unbeteiligt

An einem heißen Augustmorgen auf der Plaça sehe ich oft Touristen mit geknickten Karten und zu schweren Koffern – und daneben Anwohner, die über Mietpreise schimpfen. In solchen Monaten ist die Diskussion über Mallorca besonders laut. Der Mann an der Spitze des großen deutschen Reiseverbands hat jetzt nach mehr als einem Jahrzehnt im Amt eine öffentliche Zwischenbilanz gezogen: Es geht um Protestplakate, um brennende Mietautos in Einzelfällen und vor allem um zwei große Sorgen – bezahlbarer Wohnraum und steigende Urlaubskosten.

Anti-Tourismus ist selten schwarz-weiß

Sein Punkt: Die meisten Einheimischen stehen dem Tourismus noch immer positiv gegenüber – Restaurants, Taxis, Strandverleiher leben davon. Gleichzeitig aber hat die wachsende Nachfrage nach Zweitwohnungen die Mietmärkte verzerrt. Das Problem ist also nicht allein die Pauschale im Hotel, sondern die langfristige Nutzung von Wohnraum. In Gesprächen mit Hoteliers und Kommunalpolitikern klingt das immer wieder durch: Wenn Wohnungen leer stehen, während Familien keinen Platz zum Wohnen finden, dann entsteht Frust. Und Frust führt zu Protesten – einige davon sichtbar und laut in den Straßen.

Preise, Nachfrage, Wettbewerb

Auf der anderen Seite sitzt der klassische Urlauber: preissensibel, aber reiselustig. Wenn das Gefühl aufkommt, die Insel sei "zu teuer", wechseln manche Kunden ihr Ziel – in den letzten Saisons sah man zum Beispiel mehr Buchungen Richtung günstigerer Ziele im östlichen Mittelmeer oder Nordafrika. Gleichzeitig bleiben beliebte Angebote wie Spanien, Kreuzfahrten und Fernziele stabil. Kurz: Die Nachfrage ist da, aber sie ist wählerischer als früher.

Und was ist mit All-inclusive? Nicht ausufernd, lautet die Einschätzung. Familien schätzen die Kalkulierbarkeit, doch Mallorca ist wirtschaftlich diverser aufgestellt – Tapasbars, kleine Hotels und Privatvermieter gehören zum Bild. Ob das Gleichgewicht kippt, hängt vor allem vom Geldbeutel der Reisenden ab.

Ein Rückzug, kein Abschied

Persönlich will der Verbandschef künftig weniger Gremien besuchen und mehr mit einem Rollkoffer die Welt erkunden – ganz ohne Redaktionspläne. Er betonte, dass er der Branche in Zukunft als Kunde erhalten bleiben wird. Das klingt ehrlich: nach Jahren mit intensiven Verhandlungen in Berlin, Besuchen auf Konferenzen und langen Abenden mit Hoteliers.

Das Fazit, das man an einer Caféterrasse auf dem Paseo von Palma gut verstehen kann: Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum, differenzierte Tourismusangebote und Dialog. Nicht nur zwischen Reiseveranstaltern, sondern mit Anwohnern, Gemeinden und Unternehmern. Ohne diese Balance droht die Insel die Stimmung zu verlieren, die sie so attraktiv macht – und damit am Ende auch Gäste.

Kurzer Nachsatz: Die Reiselust der Deutschen ist nicht tot. Sie wandelt sich. Und wer schon mal im August durch die engen Gassen von Palma geschlendert ist, weiß: Das ist gut so – aber es muss fairer werden für alle.