Frühmorgens entfernte die Stadt die lang genutzte Bank am Paseo Mallorca. Ein bekannter Mann sitzt jetzt auf einem Klappstuhl. Die Aktion zeigt ein lokales Problem: kurzfristige Ordnung statt dauerhafter Hilfe. Was jetzt fehlt, ist Vertrauen und eine vernetzte Strategie.
Bank weg, Vertrauen auch? Der Mann am Paseo und was fehlt
Am Paseo Mallorca roch es nach frischen Ensaimadas, die Bäckerei an der Ecke blies warme Luft und Hefe in die kühle Morgenluft. Gegen 9:30 Uhr hörten Anwohner plötzlich ein Poltern: Ein Transporter, zwei Männer in Warnwesten und die Entscheidung, die lange genutzte Sitzbank zu entfernen. Die Szene war unspektakulär und trotzdem symbolträchtig – kein Radau, nur ein Loch in der Stadtmöblierung und ein Mann, der von einer Bank auf einen abgewetzten Klappstuhl umziehen musste.
Mehr als ein Möbelstück: wer sitzt, wer geht?
Der Mann am Baum ist hier kein Unbekannter. Manche nennen ihn freundlich „der Herr vom Paseo“, andere haben ihn schon jahrelang nur noch als Randerscheinung wahrgenommen. Er schlief monatelang auf der Bank, kam sonntags pünktlich zum Zeitungskiosk, sprach selten. Als die Arbeiter die Bank abhoben, waren Sozialdienste anwesend, laut Zeugen wurden Hilfe und Schlafplätze angeboten – Angebote, die teilweise abgelehnt wurden. Das wiederholt eine bekannte Schwierigkeit in der Strafflosigkeit: Hilfe funktioniert oft nur, wenn Vertrauen da ist.
Die Stadt erklärt pragmatisch, dass an der Stelle künftig zwei kleinere Einzelsitze unter dem Baum stehen sollen. Das klingt nach Ordnung und einem Versuch der Kompromissfindung. Für den Mann heißt es bis auf Weiteres: Klappstuhl. Für die Nachbarschaft bedeutet die Maßnahme eine Frage, die sich schnell stellt: Bekämpfen wir sichtbare Symptome – oder organisieren wir echte Lösungen?
Die unsichtbaren Gründe für ein sichtbares Problem
Mallorca hat Schätzungen zufolge mehrere hundert Menschen ohne festen Wohnsitz. Sie schlafen in Parks, unter Brücken, in Ecken wie dieser. Was öffentliche Maßnahmen oft übersehen: Das Ablehnen eines Angebots ist selten reine Provokation. Es steckt Scham dahinter, die Furcht, Regeln nicht einhalten zu können, die Angst, Hab und Gut zu verlieren, oder Traumata, die feste Strukturen unmöglich machen. Einmalige Anwesenheit von Sozialdiensten reicht nicht; es braucht Kontinuität.
Auch die Nachbarschaft spielt eine Rolle. Einige fordern mehr Präsenz von Ordnungskräften, andere kritisieren den vorschnellen Entzug von Sitzgelegenheiten. In Online-Chats klingt es pragmatisch, in Gesichtern dagegen kalt. So entstehen Situationen, in denen Menschen ständig 'vertrieben' werden – und damit das kleine, aber wichtige Element Vertrauen zerstört wird.
Was jetzt hilft — konkrete Maßnahmen statt Symbolpolitik
Fachleute nennen eine Kombination aus kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen: mobile Teams, die regelmäßig zur gleichen Zeit kommen; Notbetten und medizinische Erstversorgung; niedrigschwellige Anlaufstellen ohne strenge Aufnahmeregeln; und langfristig mehr bezahlbarer Wohnraum. Besonders oft fällt der Begriff "Housing First" – also Wohnungen mit anschließender Unterstützung statt umgekehrt.
Praktische Vorschläge, die vor Ort schnell umzusetzen wären:
- Regelmäßige Straßenambulanzen mit festen Tourenzeiten, damit Vertrauen wachsen kann.
- Gepäck- und Briefservice für Menschen ohne Postadresse – eine kleine, aber lebensverändernde Hilfe.
- Flexible Aufnahmezeiten in Notunterkünften; wer nachts unterwegs ist, kommt tagsüber nicht zwingend pünktlich zur Tür.
- Beteiligung der Nachbarn in Vermittlungsprojekten: Ehrenamtliche, die nicht belehren, sondern Brücken bauen.
Auf der Verwaltungsebene braucht es bessere Datengrundlagen: Erfassung der saisonalen Schwankungen, koordinierte Hilfe zwischen Tourismus, Sozial- und Gesundheitsamt sowie regelmäßige Evaluationen. Und: Wer Bänke entfernt, sollte überlegen, ob er damit nicht vor allem das Problem verlagert.
Der Paseo als Prüfstein
Der Platz unter dem Baum ist klein, aber gut sichtbar. Er zeigt, wie die Stadtgesellschaft mit Verwundbarkeit umgeht: mit einem schnellen Eingriff, einer späteren Erklärung und einem leeren Spot dazwischen. Die Frage ist, ob die nächsten Tage mehr bringen als zwei neue, einzelne Sitze. Reicht es, Dinge umzudekorieren, oder braucht es eine vernetzte Strategie, die Menschen wirklich erreicht?
Wer morgens die Ensaimadas riecht, den Verkehr hört und kurz anhält, sieht nicht nur Touristen mit Kameras, sondern auch eine Stadt, die entscheidet, wie sie ihre Schwächsten behandelt. Ein erster Schritt wäre, das Entfernen einer Bank zum Anlass zu nehmen, nicht nur über Ordnung, sondern über Fürsorge zu reden.
Wenn Sie helfen möchten: Lokale Hilfsorganisationen und Straßenambulanzen sowie die Hotline der Stadt informieren über aktuelle Angebote und Freiwilligenmöglichkeiten. Drei Festnahmen auf Mallorca liefern Einblicke in ähnliche Themen.
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