Während im Westen Sonnenanbeter spazieren, kämpft der Osten mit Hagel und Sturzfluten. Die Leitfrage: Ist Mallorca für diese lokal extremen Ereignisse wirklich gewappnet?
Zwischen Sonnentauchern und Sintflut‑Eimern — ein Tag, zwei Mallorcas
Die Insel zeigte heute wieder jene geteilte Wirklichkeit, die wir hier schon zu oft erlebt haben. Ich saß gegen 11:30 Uhr mit einem heißen Kaffee am Paseo Marítimo, hörte das Klacken der Möwen und das ferne Rattern der Straßenbahn. Gleichzeitig riefen Freunde aus dem Osten panisch an: Hagel, Keller voller Wasser, Autos im Schlamm. Die zentrale Frage, die mir beim zweiten Schluck durch den Kopf ging, lautet: Wie gut ist Mallorca eigentlich vorbereitet auf solche lokal extremen Ereignisse?
Was passiert ist: Orte, Schäden, Stimmung
Am schlimmsten traf es heute Son Servera, Artà und Capdepera. In Artà kamen binnen einer halben Stunde etwa 40 Liter pro Quadratmeter vom Himmel – genug, um Asphalt in Flussbett zu verwandeln. In Son Servera fiel Hagel; Augenzeugen sprechen von rutschigen Straßen und blockierten Zufahrten. Capdepera meldete überflutete, tieferliegende Straßen, Autos standen bis zur Hälfte im Wasser. Nachbarn schaufelten Sandsäcke, Kinder mit roten Backen sahen zu, wie der Regen Gullydeckel hochdrückte.
Und doch: Zur gleichen Zeit wirkte Palma fast paradiesisch. Rund 30 Grad, Sonnenschirme, Jogger am Meer. Aber auch hier blieben Folgen: Auf dem Paseo knickten Bäume bei kräftigen Böen um, in Calvià blockierten entwurzelte Bäume und Schlamm eine Landstraße. Am Eingang zu Port Adriano gab ein grüner Hang nach – ein leises Krachen, dann rollten Steine, Autofahrer fuhren vorsichtig vorbei. Zwei Mallorcas an einem Tag, und beide hinterlassen Spuren.
Die wenig beachtete Seite: Topographie, Kanalisation und Zeitfenster
Solche lokal begrenzten Sturzfluten legen Schwachstellen offen, die im Alltag kaum auffallen. Die Verbindung aus steilen Hängen, versiegelten Flächen und alten Kanalnetzen sorgt dafür, dass Wasser, das in kurzer Zeit fällt, einfach nicht versickert. Dann helfen keine Wetterwarnungen mehr – die Straße wird in ein Bächlein, der Keller in einen Tauchpool verwandelt. Was oft fehlt, sind Retentionsräume, ausreichend große Abflussquerschnitte und gezielte Grünflächen dort, wo das Wasser hinabrollt.
Ein weiterer, wenig diskutierter Punkt ist das Zeitfenster. Solche Schauer kommen schnell, lokal begrenzt und heftig. Das macht Planung schwer: Ein gesamter Ort kann in einer Viertelstunde betroffen sein, während fünf Kilometer weiter die Sonne scheint. Die Infrastruktur ist selten auf diese Parzellierung extremer Wetterereignisse ausgelegt.
Konkrete Schritte — sofort und langfristig
Pragmatische Maßnahmen, die sofort Wirkung zeigen, sind möglich:
Für Anwohner: Kontrolliert Abflüsse und Dachrinnen, legt Sandsäcke bereit, lagert Elektrogeräte erhöht. Beim Fahren: stehendes Wasser meiden – schon 30 bis 40 Zentimeter können ein Auto außer Gefecht setzen. Wichtige Dokumente in wasserdichten Boxen aufbewahren, Keller mit mobilen Dichtungen sichern.
Für Gemeinden: Vor Herbst und Winter dringend Straßengullis und Ablaufroste reinigen, temporäre Rückhalteflächen an kritischen Hängen einrichten, Flutwarn-Schilder an bekannten Engstellen aufstellen. Mobile Barrieren und Sandsack-Depots an neuralgischen Punkten sind einfache, kostengünstige Sofortmaßnahmen.
Langfristig: Mehr Versickerungsflächen schaffen, Terrassen- und Dachbegrünungen fördern, Regenrückhaltebecken anlegen und Ufer renaturieren. In Neubaugebieten versickerungsfähige Beläge vorschreiben. Ein verbessertes Frühwarnsystem mit lokalen SMS-Alerts, klar kommunizierten Evakuierungswegen und regelmäßigen Proben für Gemeinden würde die Reaktionszeit deutlich verkürzen.
Wer trägt Verantwortung — und wer sollte es öfter tun?
Warnstufen sind ein guter erster Schritt; AEMET hat heute rechtzeitig Nord- und Ostwarnungen aktiviert. Aber Warnungen allein schützen keinen Keller. Viel entscheidender ist, wer vor Ort die Handschuhe anzieht: Wer räumt verstopfte Kanalroste? Wer organisiert Sandsäcke? Wer informiert ältere, weniger mobile Nachbarn? Eine klarere Rollenverteilung zwischen Gemeinde, Inselrat und Freiwilligenverbänden würde die Hilfe schneller und zielgerichteter machen. Zudem: regelmäßige Bestandsaufnahmen der Kanalnetze statt nur spontaner Reinigungsaktionen.
Fehlende Zuständigkeiten zeigen sich schnell in den Tagen nach einem Unwetter: Anträge auf Soforthilfe, ungeklärte Instandsetzung von Straßenschäden, unkoordinierte Freiwilligenarbeit. Solche Reibungsverluste kosten Zeit — und das kann in einer Notsituation schon zu viel sein.
Ein praktischer Blick nach vorn
Für Donnerstag sind wieder sonnigere Tage vorhergesagt. Gut fürs Gemüt, ja. Aber kein Grund zur Sorglosigkeit. Die Trendlinien sagen: Solche „geteilten Tage“ werden häufiger. Wer in tiefer gelegenen Gebieten lebt, sollte das trockene Fenster nutzen, Abflüsse prüfen und Vorräte an Sandsäcken oder mobilen Dichtungen in Betracht ziehen. Für Gemeinden lohnt sich ein kleines Notfall-Manual mit klaren Verantwortlichkeiten — ausgedruckt, verteilt, geübt.
Kurz gesagt: Der Westen genießt die Sonne, der Osten schrubbt Keller. Mallorca ist robust, aber nicht unverwundbar. Ein bisschen Vorsorge, klare Aufgabenverteilung und pragmatische Infrastrukturmaßnahmen würden viele der heutigen Szenen verhindern. Kein Hexenwerk — eher machbare, handfeste Magie.
Ein weiterer Hinweis: Wer sich intensiver mit den Wetter- und Umwelteinflüssen auf der Insel beschäftigen möchte, kann warum Mallorcas Wetter nicht mehr das ist, was es war, nachlesen.
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