Katja und ihre Familie tauschten Palmen gegen den Harz. Ihre Rückkehr wirft eine zentrale Frage auf: Wie lange bleibt Mallorca für Normalverdiener lebenswert, wenn Wohnraum und Alltag teurer werden?
Wie viel Heimat passt in eine Mietzahlung?
Die Geschichte von Katja, die nach 18 Jahren auf Mallorca mit ihrer Familie nach Wernigerode zurückzog, klingt auf den ersten Blick wie ein ungewöhnlicher Lebenswechsel. Wer aber länger auf der Insel lebt, erkennt die kleinen, fast banalen Gründe: eine bezahlbare Wohnung, genug Platz für Kinder zum Toben und verlässliche Betreuung. Das fängt nicht romantisch an, sondern pragmatisch – und stellt eine einfache Leitfrage: Wie lange bleibt Mallorca Heimat für Normalverdiener, wenn Platz zum Luxus wird?
Die Zäsur im Alltag
Katja organisierte jahrelang Shows, baute Programme für Besucher im Club Cala Serena auf und fand im Rhythmus der Saison eine Art Zuhause. Aus der Verbindung mit Fabricio entstanden drei Kinder. Doch mit den Jahren wurden die Tage lauter: Motorräder brummten, Baustellenhäuschen schoben sich in die Skyline, und mit jedem Jahr stiegen Mieten und Preise. "Wir haben uns oft gefragt: Was bleibt, wenn nach der Miete nichts mehr übrig bleibt?" sagt sie. Das klingt wie eine persönliche Notiz, ist aber ein Echo vieler Gespräche auf den Märkten von Palma oder in den kleinen Bars an der Küste. Dies wird auch in der Analyse von „Nie wieder Mallorca“ – Wie der Preisschock Stammgäste vergrault deutlich.
Was selten ausgesprochen wird
In der öffentlichen Debatte dreht sich vieles um Tourismuszahlen, Bettenkapazitäten und Strandqualität. Weniger zu hören sind die Details des Alltags: lange Parkplatzsuche am späten Nachmittag, die Schwierigkeit, einen Kindergartenplatz zu finden, oder Wohnungen mit zwei schmalen Zimmern für fünf Personen. Auch die Dynamik von Zweitwohnungen und Kurzzeitvermietung verschärft das Problem: Leerstehende Ferien-Apartments reduzieren bezahlbaren Wohnraum, während gleichzeitig neue touristische Flächen entstehen. Informationen dazu finden sich in dem Artikel über ausländische Mieter und deren Auswirkungen auf die Nachbarschaften.
Die Rückkehr als Versuch einer Neuorientierung
In Wernigerode betreibt Katja nun eine Tanzschule, Fabricio führt einen Imbiss. Die Kinder laufen morgens zur Schule, der Wochenmarkt ist überschaubar, Nachbarn grüßen beim Brötchenkauf. Es sind keine spektakulären Veränderungen, sondern kleine Erleichterungen: weniger Parkplatzstress, wieder Platz in der Küche, Zeit für die Hausaufgaben. Diese Details zeigen, warum Menschen gehen — nicht, weil das Meer schlechten Kaffee macht, sondern weil der Alltag auf Dauer nicht tragbar ist. Ein weiterer Aspekt ist, dass viele Menschen, die auf Mallorca leben, mehrere Jobs benötigen, um über die Runden zu kommen.
Was die Insel verlieren könnte
Wenn Familien wie diese abwandern, verliert Mallorca mehr als nur Köpfe: Es verliert Vielfalt, Alltagskultur und eine Infrastruktur, die Schulen, Handwerk und lokalen Handel stützt. Der Effekt ist kumulativ. Junge Lehrer, Künstler, Handwerker — sie alle prüfen inzwischen zweimal, ob ein Leben auf der Insel noch möglich ist. Langfristig droht eine Polarisierung: Hochpreisiger Tourismus auf der einen Seite, schrumpfende Gemeinden auf der anderen. Darüber berichtet auch die Diskussion über Familienverlust in Dörfern.
Konkrete Ansätze statt Phrasen
Einige Lösungen liegen nahe und sind praktisch umsetzbar: kommunale Wohnungsbaugesellschaften für Familienwohnungen, verbindliche Quoten für langjährige Vermietung bei Neubaugenehmigungen, stärkere Regulierung von Kurzzeitvermietung und steuerliche Anreize für Vermieter, die langfristig an Familien vermieten. Auch genossenschaftliche Wohnprojekte und Co‑Housing-Modelle könnten Lücken füllen. Wichtig ist: Politik muss weniger in Sonntagsreden denken und mehr in konkreten, lokal umsetzbaren Maßnahmen.
Auf der Ebene der Gemeinschaft helfen kleine Dinge: bezahlbare Kinderbetreuung, flexible Schulangebote, Räume für Kunst und Kultur abseits der Saison. Solche Maßnahmen machen den Unterschied zwischen einem Urlaubsort und einer lebendigen Heimat.
Kein Schwarz-Weiß
Ob Katja und ihre Familie dauerhaft im Harz bleiben, ist offen. Ihre Entscheidung ist kein Drama, sondern ein Indikator. Wer nach Mallorca kommt, sollte das mit offenen Augen tun. Und wer hier bleibt, sollte laut genug fragen, damit die Insel nicht nur Ferienglück, sondern Alltag für alle bleibt.
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